02.05.2012
Was zeichnet sie aus, die wahren Freunde?
1000 Freunde und zehn richtige
Was ist das, ein guter Freund? Gibt es das überhaupt noch in Zeiten, in denen manch einer 1000 Freunde bei der Online-Gemeinschaft Facebook hat? Aber Freund war nie gleich Freund, das zeigt derzeit eine kleine Ausstellung in Weimar.
Anna ist 18 Jahre alt. Sie war ein Jahr auf einer US-amerikanischen High-School, spielt erfolgreich Tennis und hat – kein Scherz – 1182 Freunde. Das sagt auf jeden Fall ihr Profil bei der Online-Gemeinschaft Facebook. Dort können Freunde untereinander sehen, was der andere auf seine virtuelle Pinnwand geschrieben hat, was er gerade macht, welche Musik er hört. Kulturpessimisten sehen in Facebook deshalb nicht nur das Ende der Privatsphäre, sie sehen darin auch die Auflösung des Freundschaftsbegriffes. Anna findet, das sei Unsinn. „Wenn ich bei Facebook 1000 Freunde habe, heißt das nicht, dass das meine richtigen Freunde sind. Richtig gute Freunde habe ich vielleicht zehn.“
Klar ist: Freundschaft ist nicht gleich Freundschaft. Sie kann von der reinen Bekanntschaft über Kameradschaft im Sportverein bis hin zum „Freund fürs Leben“ reichen. Sich mit zahlreichen „Freunden schmücken“, wie das bei vielen bei „Facebook“ geschieht, ist dabei keine Erfindung unserer Zeit. Den Vorläufer der Online-Gemeinschaft können Interessierte derzeit in einer kleinen Ausstellung der Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar sehen. Freundschaftsbücher aus den vergangenen fünf Jahrhunderten werden hier gezeigt. Die ersten Spuren über die Herkunft der Erinnerungsbücher führen nach Wittenberg, wo Martin Luther und Philipp Melanchthon unterrichteten. Von Letzterem wird berichtet, dass er eine Zeitlang die große Leidenschaft besaß, sich in Bücher, die ihm vorgelegt wurden, mit Widmungen einzutragen. Die Geburt des Poesiealbums.
„Von allen Geschenken, die uns das Schicksal gewährt, gibt es kein größeres Gut als die Freundschaft – keinen größeren Reichtum, keine größere Freude.“
Epikur von Samos
Am Ende ist es wohl egal, wie viele Freunde man hat. Wichtig ist nur, dass man einige gute hat. Denn die sind entscheidend, wie glücklich man durchs Leben geht. Sagt zumindest der griechische Soziologe, Mediziner und Harvard-Professor Nicholas Christakis. Der hatte durch die Ergebnisse seiner Studien vor einigen Jahren für Aufsehen gesorgt, dass Fettleibigkeit bei den Freunden die Wahrscheinlichkeit, selbst dick zu werden, deutlich erhöht. Ganz ähnlich ist es den Studien nach auch bei der Zufriedenheit. Auch glückliche Freunde stecken an. Amerikanische Forscher fanden zusätzlich heraus, dass Menschen ohne Freunde eher einen Herzinfarkt erleiden und ihr Immunsystem schwächer ist.
Doch was macht einen guten Freund aus? Jeder weiß, kein Freund ist gleich. Mit dem einen führt man tiefgehende Gespräche, mit dem anderen unternimmt man schöne Ausflüge. Dennoch zeichnet eine Sache jeden guten Freund aus: Er bewährt sich. „Meine beste Freundin hat mich nächtelang getröstet, als mein Freund mit mir Schluss gemacht hat“, erzählt Anna. Dann, wenn es schwer wird im Leben, zeigen sich die wahren Freunde. Freundschaft beruht auf Freiwilligkeit, aber immer auch auf Gegenseitigkeit. Deshalb gilt es auch für jeden von uns, trotz täglichem Arbeits- und Freizeitstress, uns als Freund zu bewähren.
„Der beste Weg, einen Freund zu haben, ist der, selbst einer zu sein.“
Ralph Waldo Emerson
Von Daniel Gerber
Die Ausstellung „Freundschaftsbücher, Galilei, Goethe und Co.“ kann auch online unter www.freundschaftsbuecher.klassik-stiftung.de angeschaut werden.