14.01.2015
1000 Hiebe gegen Meinungsfreiheit
Viel bigotter geht es nicht: Kaum hatte Saudi-Arabien die Anschläge von Paris „als feigen Terrorakt, der gegen den wahren Islam verstößt“ verurteilt, da ließ das ultrakonservative Königreich auch schon den Blogger Raif Badawi auspeitschen, weil dieser angeblich vom Islam abgefallen sei. Amnesty International startete jetzt eine Kampagne zur Freilassung des Menschenrechtlers.
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Der Blogger Raif Badawi in der Google-Bildersuche |
Es sind bedrückende Worte, mit denen der Berliner Tagesspiegel seine Reportage beginnt:
„Als der letzte der 50 Hiebe auf den geschundenen Rücken des Gefesselten herab gesaust war, kreischte die Menge „Gott ist groß!“. Kein Schmerzenslaut kam über die Lippen des Ausgepeitschten. Mit geschlossenen Augen ertrug Raif Badawi vergangenen Freitag die 15-minütige, öffentliche Tortur auf dem Vorplatz der Al-Jafali-Moschee in Jeddah, wo auch die Hinrichtungen mit dem Schwert stattfinden. Noch 24 Stunden zuvor hatte Saudi-Arabien die Attentate in Paris „als feige Terrortat“ verurteilt, „die mit dem Islam nicht vereinbar sind“. Nun statuierte das ultrakonservative Königreich seine Version des wahren Islam und ließ den 30-jährigen Blogger auspeitschen.“
Todesurteil auf Raten
Was ist geschehen? Am 9. Januar - nur zwei Tage nach den blutigen Anschlägen in Paris, die ja auch und vor allem ein Angriff auf die Meinungs- und Pressefreiheit waren - hat Saudi-Arabien damit begonnen, ein brutales Urteil gegen den „Internetaktivisten und Menschenrechtler“ (Wikipedia) Raif Badawi zu vollstrecken. In den nächsten 20 Wochen soll, so will es das Urteil, die barbarische Prozedur wiederholt werden, bis der Verurteilte insgesamt 1.000 Peitschenhiebe erhalten hat. Etliche Beobachter bezweifeln allerdings, ob Badawi die monatelange Prozedur überhaupt überleben kann, und werten den Richtersprich als „Todesurteil auf Raten“.
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Mit einer "Urgent Action" bemüht sich Amnestie International um die Freilassung des Bloggers und wirbt um Unterstützung |
Doch auch sonst erscheint die Bestrafung Badawis als ungeheuerlich. Sein einziges Verbrechen war es wohl, dass er in seinem inzwischen gelöschten Internetblog „Die Saudischen Liberalen“, Christen, Juden und Atheisten auf eine Stufe mit Muslime gehoben und sie als „gleichwertig“ bezeichnet hat. Diese Äußerung verstoße gegen ein 2014 erlassenes Gesetz, das jede „Infragestellung“ des Islam über Audio-, visuelle, Print- und soziale Medien als terroristische Handlung unter Strafe stellt. Pikanterweise wurde Badawi bereits im Juni 2012 wegen angeblicher Apostasie, so nennt man im Islam dem Abfall vom Glauben, verhaftet. Ein ursprünglich vergleichsweise „mildes“ Urteil von vier mal 150 Peitschenhiebe wurde verschärft: auf zehn Jahre Haft, einer Geldstrafe von umgerechnet fast 200.000 Euro sowie 1.000 Peitschenhiebe.
Trotz Menschenrechtsverletzungen: Deutschland liefert Waffen
Besonders bedrückend ist dabei, dass dies alles in einem Land geschieht, das westliche Regierungen, auch die Bundesrepublik sowie die gesamte EU, gerne als ihren wichtigsten Verbündeten im arabischen Raum betrachten. Mit den Waffen, die auch wir Deutschen dorthin liefern, so monieren Pax Christi und die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) seit Jahren, werde vor allem auch die Opposition unterdrückt.
Kein Wunder also, dass die Reaktionen westlicher Medien auf das Urteil überall gleich ausfielen. Während die Süddeutsche Zeitung den Saudis Heuchelei vorwarf, prangerte neben dem Tagesspiegel auch der Stern die Zusammenarbeit westlicher Nationen mit dem Königreich an. Beobachter führen das zuletzt immer rigorosere Vorgehen der Saudis gegen die Opposition auf die zuletzt stark gewachsene Nervosität im Königshaus zurück, dass sich selbst von immer mehr Seiten bedroht fühlt.
Während der reformoffene 90-jährige Monarch Abdullah schwer erkrankt im Krankenhaus liege, nähere sich der saudische Erzfeind, der Iran, neuerdings wieder an die Vereinigten Staaten an. Zudem sieht sich das aufgrund seiner Ölvorkommen schwerreiche Land, das jahrelang selbst Terrorristen unterstützt hat, zunehmend vom Islamischen Staat (IS) bedroht. So rückt IS nicht nur von außen immer näher an das Königreich heran, sondern auch in Saudi-Arabien selbst sympathisieren immer mehr junge Leute mit der Terrormiliz. Insgesamt sollen bereits mehr als 2500 Saudis in Syrien und Irak als Gotteskrieger für das „Kalifat“ kämpfen.
"Akt bösartiger Grausamkeit"
Im Internet formiert sich unterdessen eine allerdings noch recht zaghafte Solidaritätsbewegung für den Verurteilten. Das Hilfswerk Human Rights Watch (HRW) forderte König Abdallah auf, Badawi „umgehend zu begnadigen“. HRW-Regionaldirektorin Sarah Leah Whitson erklärte, die Strafe für einen „friedfertigen Aktivisten“ sende „eine abscheuliche Botschaft der Intoleranz“ in die Welt. Auch die Organisation Reporter ohne Grenzen, die weltweit für die Pressefreiheit kämpft, erklärte, sie wolle sich - auch wenn Saudi-Arabien bisher alle Appelle ignoriert habe - weiter für eine Freilassung einsetzen.
Allen voran aber geht die Gefangenenhilfsorganisation „Amnesty International“ (AI). Sie nannte die Strafe für Badawi einen „Akt bösartiger Grausamkeit“. Auf ihrer Internetseite fordert AI Interessierte in einer sogenannten „Urgent Action“, massenweise Briefe oder Mails an die saudische Regierung zu schreiben. Das Vorgehen dabei ist denkbar einfach. Mit nur zwei Mausklicks sind sie dabei, empfiehlt ...
... Ihr Webreporter Andreas Kaiser