10.07.2014
Abstinenzgebot am Freitag eine Bevormundung?
Laut Gotteslob (29,4) ist der Freitag ein Abstinenztag – nicht nur Aschermittwoch und Karfreitag. Ist das tatsächlich so und wäre das nicht eine Bevormundung mündiger Christen? K. L., Hückelhoven
Im Gotteslob heißt es: „Jeder Freitag ist … ein Abstinenztag, an dem Gläubige auf Fleischspeisen verzichten, sich spürbar bei Genussmitteln einschränken und den Nächsten Hilfe leisten.“ Dort steht kein „müssen“ – gemeint ist „sollten“. Bevormundung wäre es, wenn erwachsene Gläubige keine Chance hätten, selbst zu entscheiden. Aber Ihnen, wie mir steht es frei, uns so zu verhalten – oder auch nicht.
Allerdings wurde dieses Kirchengebot nicht formuliert, um Leute zu ärgern. Der Freitag gilt als Gedenktag an das Leiden und den Tod Jesu. Da wir Christen Jesus nachfolgen wollen, sollte sich diese Nachfolge auch zeigen. Zwar ist der Verzicht auf Fleisch und Alkohol nicht die primäre Art der Nachfolge – das sind die vertrauensvolle Liebe zu Gott und die selbstlose Liebe zum Nächsten. Aber: Das Bekenntnis zu Jesus zeigt sich auch dadurch, dass wir dem Gedenken an sein Leiden Ausdruck geben. In früheren Jahrhunderten war Fleisch ein Luxusgut, seine Proteine und Fette viel wichtiger als heute. Daher galt der Verzicht auf Fleisch als echtes Zeichen von Buße und Trauer. Ebenso der Verzicht auf oppulente Süßspeisen oder edle Spirituosen, sind sie doch Ausdruck vitaler Lebensfreude – unpassend zum Gedenken an den Tod Jesu.
Heute nun ist unser unmäßiger Fleischkonsum aus mehreren Gründen bedenklich geworden – gesundheitlich, ökologisch, welternährungstechnisch. Für einen zeitweiligen Verzicht auf Fleisch gibt es also gute Gründe, für Alkohol ohnehin. „Wir Katholiken haben schon lange unseren Veggie-Day“, bemerkte unlängst ein Kirchensprecher. Nun kann man sagen: „Gut und schön, aber ich entscheide, wann ich fasten will.“ Klar. Aber es ist einfacher und ein wirksameres Zeichen, wenn man das gemeinsam tut. Umgekehrt schmeckt dann der Sonntagsbraten besser, weil er wieder etwas Besonderes ist.
Von Roland Juchem