10.08.2012

Kommentar

Auf Körpersignale hören

Von Lisa Koch

Medikamente sind keine empfehlenswerte Lösung für Lebenskrisen. Wer sich dauerhaft zu viel zumutet, keine Pausen gönnt und Probleme verdrängt, dem verschaffen auch Beruhigungs-, Schmerz- oder Schlafmittel nur kurzfristig Linderung. Langfristig sorgt der leichtfertige Umgang mit Medikamenten eher für zusätzlichen Ärger.

Das zeigen auch die aktuellen Zahlen der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS). Demnach sind 1,4 bis 1,9 Millionen Menschen in Deutschland medikamentenabhängig. Der Missbrauch beginnt oft dort, wo Menschen versuchen, Tiefschläge oder Überforderung mit Medikamenten auszublenden. Doch warum gelingt ihnen das so einfach?

Sind womöglich Ärzte Schuld an den hohen Zahlen? Verschreiben die Mediziner rezeptpflichtige Medikamente mit Suchtpotenzial zu leichtfertig? Fakt ist: Der Medikamentenmarkt in Deutschland ist in den letzten Jahrzehnten immens gewachsen. Auch für Ärzte ist es da schwer, den Überblick zu bewahren. Hinzu kommt, dass sie oft unter enormem Kostendruck stehen – sich kaum mehr als zehn Minuten Zeit für einen Patienten nehmen können.

Nicht ganz unschuldig erweisen sie sich dann, wenn beispielsweise manche Hausärzte ihre Patienten lieber selbst behandeln, statt sie bei Unkenntnis an einen Spezialisten zu überweisen. Gerade Medikamentenabhängige beklagen häufig die Unwissenheit vieler Ärzte, wenn es um das Suchtpotenzial von Medikamenten geht.

Die Schuld allein bei Ärzten oder Pharmaunternehmen zu suchen, reicht aber sicher nicht aus. Auch Patienten gehen oft lieber den Weg des geringsten Widerstands, wenn sie in eine Arztpraxis kommen. Statt bei Rückenschmerzen nach Physiotherapie, Ernährungsumstellung oder Sportmöglichkeiten zu fragen, wird nach einer schmerzlindernden Spritze verlangt. Der Arzt soll helfen. Einfach, bequem und am besten sofort.

Sich Schwächen einzugestehen, Hilfe anzufordern oder sich in einer Therapie mit den Ursache von Problemen zu beschäftigen, ist gesellschaftlich nicht so anerkannt. Wir müssen funktionieren und verlernen dabei allmählich, rechtzeitig auf die Signale unseres eigenen Körpers zu hören. Dabei liegt die Lösung vieler Probleme häufig genau darin. Mit kleinen Schritten fängt es an. Muss beim nächsten Anflug von Kopfschmerzen wirklich gleich eine Tablette geschluckt werden, oder hilft auch erstmal etwas Ruhe und Entspannung?