23.10.2014
Besteht der Bann gegen Martin Luther noch?
Verschiedentlich diskutierten wir die Frage: Besteht der Bann gegen Martin Luther noch?
Dr. W. S., Bad Soden
Kurz gesagt: nein. Denn der kirchliche Bann, auch Exkommunikation genannt, besteht maximal so lange, wie der gebannte Mensch lebt. Weil es unüblich ist, eine Exkommunikation Verstorbener eigens aufzuheben, hat die katholische Kirche dies auch im Fall von Martin Luther nicht getan.
Mit der Bannbulle „Decet Romanum Pontificem“ vom 3. Januar 1521 vollzog Papst Leo X. die Exkommunikation Luthers, die er in der Bulle „Exsurge Domine“ vom 15. Juni 1520 angekündigt hatte. Außerdem werden er und seine Anhänger zu Häretikern erklärt.
Seit dem frühen Mittelalter bis in die Neuzeit hatte sich der Kirchenbann als Mittel öffentlicher Strafdisziplin entwickelt – im Gegensatz zur privaten Beicht- und Bußpraxis. Der Kirchenbann bedeutete Ausschluss von der Eucharistie und anderen Sakramenten und/oder vom gesellschaftlichen Kontakt zu anderen Christen. Exkommunikation heißt ja wörtlich: Ausschluss aus der Gemeinschaft.
Im weltlichen Bereich bedeutete dies oft, dass der Gebannte bestimmte Dienste und Ämter nicht mehr übernehmen durfte. Und so waren die Folgen eines Kirchenbanns zur Zeit Luthers immens, besonders wenn der Gebannte zusätzlich der staatlichen Reichsacht verfiel und für „vogelfrei“ erklärt wurde. Luther hat das nur überlebt, weil er den Schutz des Sächsischen Kurfürsten Friedrich III. von Sachsen genoss.
Theologisch und kirchenrechtlich gilt aber: Weil die christliche Taufe ein unzerstörbares Band mit Christus und der Kirche schließt, kann auch eine Exkommunikation keine vollständige Trennung von der Kirche bewirken. Sie schränkt „nur“ die Teilnahme am kirchlichen Leben ein. Weil diese Teilnahme mit dem Tod sowieso erlischt, wird in dem Moment auch die Exkommunikation wirkungslos.
Ob und wie der Verstor-bene Gemeinschaft mit den Heiligen und Gott hat, darüber maßt sich die Kirche kein Urteil an. Das gilt auch für Martin Luther. Dass die katholische Kirche aus diesem Grund die post-
hume Unwirksamkeit oder das Ende des Banns gegen Luther nie eigens festgestellt hat, sorgt gelegentlich für Verstimmung. Auch wenn sie natürlich Luthers Grundanliegen heute anerkennt und würdigt.
Roland Juchem