02.01.2015
Blühende Landschaften, wo längst Wüste ist?
Weihnachten ist vorbei. Die Realität hat uns wieder. Und diese Wirklichkeit sieht für das Christentum in Deutschland so düster aus wie selten zuvor. Im Internet wird derzeit ein Beitrag des Journalisten Markus Günther diskutiert. In der F.A.Z. verglich er den Zustand unserer Kirche mit dem der DDR kurz vor ihrem Zusammenbruch.
Egal ob in der evangelikalen Nachrichtenagentur idea, dem der AfD-nahe stehenden Blog „Freie Welt“ oder im katholischen Portal kath.net, an etlichen Orten im Netz wird derzeit ein Artikel des Journalisten Markus Günther diskutiert, der vor wenigen Tagen in der seriösen Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschienen ist. Zu recht, wie ich finde!
In seinem Beitrag „Diaspora Deutschland“ zeichnet Günther, der ehemalige Chefredakteur der Augsburger Allgemeinen Zeitung, ein Bild des deutschen Christentums wie es düsterer kaum sein könnte. Obwohl die Kirchen noch immer ein paar Millionen Menschen binden, und sogar die Kirchensteuereinnahmen zuletzt auf ein Rekordhoch kletterten, befände sich die Kirche zumindest hierzulande in der „Spätzeit“ ihres Seins. Genauer gesagt, in einem Zustand, der ihn (Günther) stark an den der DDR kurz vor ihrem endgültigen "Kollaps" erinnere. Rein äußerlich, so der Journalist, sähe alles zwar noch recht „stabil aus“. Viele Pfarrer und Bischöfe jedoch machten sich etwas vor. Sie sähen blühende Landschaften, wo längst Wüste sei, schreibt Günther. Bei der Selbsttäuschung hülfen die glänzenden Fassaden der rund 45.000 deutschen Kirchen und die stabilen Strukturen... Auch wenn Günters Vergleich etwas überspitzt oder reichlich provokant daher kommt, so wissen wir Gläubigen - Hand aus Herz - doch leider längst am besten, wie trist es hinter den Kulissen zum Teil bereits heute aussieht…
"U-Boot-Christen". An Festagen tauchen sie auf, sonst tauchen sie ab...
Nachdem jetzt - Anfang Januar - die sogenannten U-Bootchristen, die bestenfalls noch an Festtagen wie Ostern und Weihnachten „auftauchen“, wieder in der Versenkung verschwunden sind, können wir versprengten Gläubigen bei jeder Messe doch klar und deutlich sehen, wie einsam und leer es zumeist um uns herum geworden ist. Doch es sind ja nicht nur die Kirchenbänke, die sich da leeren. Auch christliche Glaubensüberzeugungen verschwinden mehr und mehr aus dem kollektiven Bewusstsein von uns Deutschen. Viele Schüler können selbst nach zehn Jahren Religionsunterricht weder unsere Grundgebete wie das "Vater Unser", noch die Zehn Gebote auswendig aufsagen. Auch wissen etliche Kinder recht wenig von der Göttlichkeit Jesu, noch kennen sie alle sieben Sakramente der Kirche. Rund ein Drittel der Deutschen glaubt nicht mehr an die Auferstehung Jesu von den Toten. Selbst unter Gläubigen werden zentrale Inhalte des Katechismus' mehr und mehr in Frage gestellt. Einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Allensbach zufolge glauben 60 Prozent der Christen nicht mehr an ein ewiges Leben. Günther: „An Ufos glauben zwischen Flensburg und Oberammergau mehr Menschen als an das Jüngste Gericht.“ In 30 Jahren, so prophezeien es Prognosen, werden „wir“ - die letzten sozusagen noch im Elternhaus sozialisierten Christen - ausgestorben sein.
Missionsland Deutschland?
Bereits seit einigen Jahren kommen – dem Priestermangel im Lande sei „Dank“ - ja mehr Geistliche aus Ländern zu uns, die wir einst selbst (von Europa aus) missioniert haben. Wie Kirche in ein paar Jahren aussehen kann, lässt sich heute vielleicht am ehesten bei Gebetsabenden von jungen Aufbrüchen wie etwa der internationalen Initiative „Night Fever“ erahnen. Oder in einigen Großstadtkirchen. In der Kreuzberger Johannes-Basilika sitzen schon heute oft wesentlich mehr Migranten aus Ost- oder Südeuropa als geborene Deutsche. Am Silvesterabend war ich in Hamburg in der St-Elisabeth-Gemeinde zu Gast. Während draußen die Böller detonierten, saßen bei der Anbetung vor Mitternacht vor allem etliche Afrikaner beisammen. Und der Priester war ein Mann aus Indien. Doch anders als viele deutsche Pfarrer, die ich so kenne, zog sich der Ordensmann aus Kerala nicht gleich nach der „Aussetzung“ des Allerheiligsten wieder in seine Privatgemächer zurück. Nein, der Mann blieb. Die ganze Zeit dabei. Und als die Glocken um Punkt Zwölf das neue Jahr begrüßten, ließ er es sich nicht nehmen, jeden Einzelnen persönlich die Hand zu schütteln und uns ein „Gesegnetes, frohes Neues“ zu wünschen… Was würden dazu die selbst ernannten Abendslandretter der „Pegida“ wohl sagen, fragt sich
Ihr Webreporter Andreas Kaiser