29.05.2012

Fronleichnam: Über die Entstehung eines Festes und seines reichen Brauchtums

"Der König der Könige tritt unter die Seinigen"

Es ist das jüngste Hochfest der katholischen Kirche: Fronleichnam. Bei keinem anderen kirchlichen Fest verbinden sich Liturgie, Tradition und Brauchtum so wie hier. Selbst größte Kirchenkritiker konnten wohl auch deshalb dem Reiz des Festes nicht widerstehen.

 

Fronleichnam im hessischen Mardorf

„Nie habe ich die langen Reihen Priester in ehrwürdiger Kleidung, (…), nie habe ich jene Menschenmenge, die in andächtiger Stille vorangeht und folgt, gesehen, ohne tief gerührt zu werden“, so schrieb Denis Diderot, ein französischer  Aufklärer, der sonst an der katholischen Kirche kein gutes Blatt ließ. Und bei aller Kritik an der Volksfrömmigkeit konnte selbst Martin Luther sich der Faszination des Fronleichnamsfestes nicht entziehen. In einer seiner Tischreden heißt es: „Das Fest des Fronleibs hat unter allen den größten und schönsten Schein.“ 

Die Geburtsstunde liegt in einem Lütticher Kloster

Fronleichnam ist das jüngste Hochfest der katholischen Kirche. Entstanden in einer Zeit, in der die Verehrung der Eucharistie aufgewertet werden sollte, weil immer häufiger von eucharistischen Ketzereien berichtet wurde. Nachdem das vierte Laterankonzil 1215 die Wandlung der eucharistischen Gestalten präzisiert hatte, wurde die Elevation genau so wie die exponierte Aufbewahrung des Allerheiligsten in der Kirche und die Kniebeuge vor diesem eingeführt. Auch die Geburtsstunde des Fronleichnamsfestes fällt in diese Zeit.

Im Augustinerinnenkloster in Lüttich hat die Ordensfrau Juliana Visionen. „Sie sah den Mond in seinem Glanze, aber auf seiner Scheibe war ein kleiner Bruch“, schreibt ihr Biograf. Gott offenbart ihr auch die Vision: Der Kirche fehle ein Fest zu Ehren der Eucharistie. 1246 hat sie es dann. Nach einem Hirtenbrief des dortigen Bischofs wird es in der Diözese Lüttich erstmalig gefeiert. Nochmals zwanzig Jahre später wird das Fest für die gesamte Christenheit eingeführt. Der Dominikanerpater Thomas von Aquin gestaltet und schreibt die Liturgie des Festes. Aber – und das macht den Reiz des Festes aus – an Fronleichnam bleibt die Liturgie nicht in der Kirche, es zieht sie nach draußen. Aus Bayern ist im Jahr 1273 die erste Prozession überliefert.

Eine Demonstration des Glaubens

Bild von der Fronleichnamsprozession in Hüfingen im
Schwarzwald. Der Blumenteppich erstreckt sich über
mehrere hundert Meter.

Neben Kreuz, Reliquien oder Heiligenbildern wird jetzt erstmals auch die konsekrierte Hostie durch die Stadt getragen. Zunächst verhüllt, später in der Monstranz für alle Gläubigen sichtbar. Ein Volkskundler schreibt 1926 pathetisch: „Wenn der Schöpfer des Weltalls die Natur im schönsten Blütenschmucke darbietet, tritt der König der Könige unter die Seinigen, auf ihre Gassen und Straßen, segnet Felder und Häuser (…), zeigt sich öffentlich dem Volke.

Volksfrömmigkeit hat vor allem außerhalb des Gotteshauses Platz, sich zu entfalten. Strenge liturgische Regeln und Normen gibt es hier nicht. Umso größer deshalb auch die Ausgestaltung an Bräuchen zu Fronleichnam. Vor allem im Barock nutzte man diese Freiheit. Mit Lichterprunk, Tänzen oder prachtvollen Prozessionswagen. Die Aufklärung läutete dann an vielen Orten das Ende des Brauchtums ein. Übrig geblieben ist aber beispielsweise der gigantische Blumenteppich in Hüfingen im Schwarzwald oder  das Fronleichnamsspiel im italienischen Viterbo. Interessanterweise betrachtet der Vatikan in diesem Zusammenhang die Fronleichnamsprozession auch „nicht als Liturgie römischen Rechts“, sondern rechnet sie heute zu den „pia exercitia“ („frommen Übungen“).
Die „frommen Übungen“, die hier öffentlich praktiziert werden, stellen seit jeher auch eine Demonstration des Glaubens dar. Was beispielsweise dazu führte, dass die Protestanten im Ort an Fronleichnam den Mist ausfuhren, um zu demonstrieren, was sie von diesem Glauben hielten.

Von Daniel Gerber