03.02.2014
Die Essensretter
Fast ein Drittel unserer Lebensmittel landet im Müll! Gegen diese unglaubliche Verschwendung ziehen jetzt Aktivisten zu Felde. Auch im Internet.
Die Zahlen klingen dramatisch. Angeblich landet jeder zweite Kopfsalat, jede zweite Kartoffel und jedes fünfte Brot nicht bei uns im Magen; oder von mir aus notfalls als Tierfutter im Trog, sondern schlicht und einfach auf dem Müll. „Wenn wir so weitermachen, werden wir im Jahr 2020 in Europa 120 Tonnen Lebensmittelproduktion wegwerfen. Das heißt 30 Prozent unserer gesamten Lebensmittelproduktion landen im Müll“, sagte jüngst EU-Umweltkommissar James Potocnik in der ARD-Filmdokumentation „Die Essensretter“.
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Sogenannte Foodsaver holen |
Da die Politik in Deutschland bisher untätig blieb, haben sich den Kampf gegen diese unglaubliche Verschwendung nun mehr und mehr Privatpersonen auf die Fahne geschrieben. So bieten in Großstädten wie Berlin inzwischen gleich mehrere Geschäfte - beispielsweise „Second Bäck“ in Prenzlauer Berg - das Brot anderer Bäcker vom Vortag an. Das Kreuzberger Startup-Unternehmen „Culinary misfits“ vertreibt über einschlägig bekannte Bio-Läden nur verschrumpeltes oder verformtes Obst und Gemüse. Also all das, was Bauern, Großhändler oder spätestens die Supermärkte sonst wegwerfen würden, weil wir Kunden - seien wir ehrlich - fast schon automatisch zur formvollendeten Frucht greifen. Auch im Internet schließen sich mehr und mehr Aktivisten gegen den Verschwendungswahn zusammen. Allen voran die Tauschbörse www.foodsharing.de.
Die aufstrebende Plattform, die mittlerweile sogar Dependancen in Österreich und der Schweiz hat, ermöglicht es, Lebensmittel an andere Menschen weiterzugeben, anstatt sie (im besten Fall) in die Öko-Tonne zu kloppen. In einem virtuellen „Essenskorb“ können Nahrungsmittel eingetragen werden, die man entweder zu viel eingekauft hat. Inseriert werden dort aber auch (mehr und mehr) Früchte von Obstbäumen, die man als Hobbygärtner entweder nicht selbst verwerten kann, oder aber als Profi-Landwirt nicht verkauft bekommt; aus welchen Gründen auch immer ... Registrierte Nutzer sehen dann, wer wo was anbietet, und können sich die Lebensmittel abholen: kostenlos! Ziel des Portals ist es, auch das Bewusstsein der Konsumenten für den eigenen Verbrauch zu schärfen. Denn wie schon unsere Oma wusste: Erst Selbsterkenntnis macht den Weg frei zur Besserung. In der Statuszeile von foodsharing.de kann man erkennen, wie viele Nutzer schon mitmachen. Als ich das letzte Mal auf die Webseite geschaut habe, waren annähernd 34.000 Nutzer aktiv. Gerettet wurden eigenen Aussagen zufolge bereits mehr als 28 Tonnen Lebensmittel. Eine gewaltige Menge! Und längst weit mehr als nur ein Anfang.
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Tipps zum verantwortungsvollen Umgang mit Lebensmitteln |
Einen Schritt weiter geht das Portal lebensmittelretten.de. Hier können sich Unternehmen, zum Beispiel Bio- oder Supermärkte, eintragen, die überschüssige Lebensmittel abzugeben haben. Etwa Ware, die das Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht hat aber längst noch genießbar ist. Einen Anfang des Trends zum Ende der Lebensmittelwegwerfgesellschaft setzte übrigens bereits 2007 die staatliche, britische Initiative „Love food, hate Waste (übersetzt: „Liebe Lebensmittel, hasse Müll“). Durch die auf der gleichnamigen Webseite propagierten Spartipps werden angeblich inzwischen alljährlich so viele Lebensmittel gerettet, die aufeinander gestapelt das komplette Wembley-Stadion füllen würden, so ein Betreiber.
Wer erst mal in die Idee des verantwortungsvollen Umgangs mit Lebensmittel reinschnuppern möchte, dem sei die Seite Respekt-Food empfohlen. Ein sogenanntes Wegwerf-Tagebuch soll hier dem Verbraucher „kreative Ideen“ zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen vermitteln. Und übrigens: Wer jetzt denkt, das ist mir alles zu anstrengend, dem sei gesagt: Ein sorgsamer Umgang mit Lebensmittel schont nicht nur den eigenen Geldbeutel, sondern hat darüber hinaus auch positive Effekte auf das gesamte Weltklima. Denn verfaulende Lebensmittel erzeugen - ähnlich wie pupsende Kühe - vor allem eins: gefährliche Treibhausgase.
Ihr Webreporter Andreas Kaiser