31.10.2012

Anfrage

Die Seele zwischen Tod und Auferstehung

Wie kann man sich den Zustand der Seele in der Zeit zwischen Tod und Auferstehung vorstellen? S.W.V., Thuine

Vorstellen lässt sich vieles  – eben weil wir das nicht genau wissen. Und es hat in der Tat viele Vorstellungen gegeben. So war unter den Juden eine Auferstehung der Toten umstritten. Jesus glaubte daran – wie auch die Pharisäer. In der Zwischenzeit, so die Vorstellung von damals, halten sich die Geister/Seelen der Verstorbenen im Reich des Todes auf. Hinzu kamen Vorstellungen, wonach die Märtyrer sofort ins Paradies oder in Abrahams Schoß gelangen. Jesus teilte diese bildhaften Vorstellungen.

Nach Jesu Auferstehung entwickelten die Christen mit Hilfe von Paulus und des Johannesevangeliums eine zweifache Vorstellung: Die Toten leben bei oder in Christus. Und: Wer an Christus glaubt, hat schon vor dem Tod teil am ewigen Leben. Eine Zeit zwischen Tod und Auferstehung war da relativ uninteressant.

Erst im Hochmittelalter haben Theologen mit Hilfe der Philosophie die Idee einer unsterblichen Seele entwickelt: Die ist kein flüchtiges Etwas, das sich vom Leib trennen ließe, sondern gehört untrennbar dazu. Sie macht den Menschen erst zu einer unverwechselbaren Person. Abstrakt formuliert ist Seele so etwas wie die „Form“, das Prinzip für unseren Leib und macht uns erst fähig, zu glauben, zu lieben und Gottes Einladung zur Unsterblichkeit zu folgen. Demnach sind die Verstorben nach ihrem Tod als Seele bei Christus, der ja bereits auferstanden ist.

Bei der „Auferstehung der Toten“ oder „des Fleisches“ – der ursprünglich jüdische Ausdruck meint „alle Menschen“ – werden wir als ganze Menschen mit unserem ganzen Leben vor Gott stehen und in seiner ewigen Herrlichkeit leben. Da in der Ewigkeit Zeit und Raum aufgehoben sind, lässt sich dabei schlecht von einer Zwischenzeit sprechen. Die gibt es nur aus dem Blick des irdischen Lebens.
Genau wissen wir das alles nicht, aber wir können eine begründete Ahnung haben. Die weitere wissenschaftliche, theologische und kulturelle Entwicklung wird wahrscheinlich dazu führen, dass wir unsere Vorstellungen immer wieder etwas ändern müssen.

Roland Juchem