27.09.2013

Kommentar

Ein Sensation ja. Aber ...

Von Ulrich Waschki

Papst Franziskus hat ein ausführliches Interview gegeben. „Sensation“, jubelten viele weltliche Medien und meinten einen Papst zu erkennen, der endlich mit den vielen verstörenden Vorschriften und Vorstellungen der Kirche aufräume. Endlich überdenke die Kirche ihre Haltung zu Verhütung, Homosexualität und Abtreibung. Doch so einfach ist es nicht. Mal abgesehen davon, dass zwischen Verhütung und Abtreibung in der moralischen Bewertung Welten liegen.

Es wird nicht alles anders unter Papst Franziskus. Wer große Schlagzeilen schreibt oder scharfe Kommentare formuliert, sollte genauer hinschauen, sorgfältiger lesen. Dann wird klar: Der Papst hat nicht gesagt, dass er die Lehre der Kirche ändern werde. Im Gegenteil: Die Lehre der Kirche zu diesen Fragen sei bekannt, sagt er. Um hinzuzufügen: „Ich bin ein Sohn der Kirche.“ Das ist eindeutig.

Dennoch ist dieses Interview eine Sensation. Weil der Papst die Verhältnisse zurechtrückt, die sich in vielen Debatten der vergangenen Jahre verschoben haben. Statt ständig über moralische und kirchliche Vorschriften zu sprechen, solle die heilbringende Liebe Gottes in den Mittelpunkt der Verkündigung gestellt werden. Es geht also erst einmal um den Kern unseres Glaubens. Erst dann folgt alles andere.

Der Schlüssel zum Verständnis von Franziskus’ Äußerungen und zu vielen kleinen Gesten seines Pontifikates ist ein kurzer Satz in dem Interview: „Die erste Reform muss die der Einstellung sein.“ Darum geht es dem Papst. Die Einstellung der Kirche zu verändern. Von oben. Durch sein eigenes Vorbild. So funktioniert Führung.

Papst Franziskus verkündet und lebt eine Kirche, die nicht triumphalistisch und lehrmeisterhaft auftritt, sondern liebevoll, offenherzig, den geschundenen Menschen annehmend. Wie der barmherzige Samariter. Ohne Fragen und Bedingungen. Doch damit ist nicht alles egal und buchstäblich gleich gültig. Denn schließlich kritisiert Franziskus in dem Interview nicht nur den zu strengen Beichtvater, sondern auch den laxen. Auch das gehört zum vollständigen Blick auf das Interview.

Franziskus’ Blick auf die Welt ist ein provokantes Vorbild: „Auch wenn das Leben eines Menschen eine Katastrophe war, wenn es von Lastern zerstört ist, von Drogen oder anderen Dingen: Gott ist in seinem Leben.“ Wer wollte, konnte das durch überzeugende Christen schon immer vielerorts erfahren. Derzeit neu ist, dass dies auch an oberster Stelle so einfach und überzeugend formuliert wird.