30.08.2013
Kommentar
Ein Trauerspiel
Von Daniel Gerber
Trauerspiele schaut man sich gerne im Theater an. In der Politik ist das anders. Als Bürger schaut man sich die nur ungern an. Dirk Niebel scheint das egal oder nicht bekannt zu sein. Der Entwicklungsminister des Landes hat vergangene Woche einen weiteren Akt im Trauerspiel Entwicklungspolitik eröffnet. Er sagte, dass man das 0,7-Prozent-Ziel hinterfragen müsse. Also jene Zusage, die Deutschland vor Jahren fest gegeben hatte. Die Regierung versprach die Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe kontinuierlich so zu steigern, dass bis zum Jahr 2015 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens, im Kampf gegen extreme Armut und Hunger eingesetzt wird.
Natürlich – Versprechen einzuhalten, ist nicht die Paradedisziplin vieler Politiker. Aber bei dem 0,7-Prozent-Ziel hätte man sich doch sehr gewünscht, dass die Ausnahme die Regel bestätigt. Man hat es sich zumindest erhofft. Immerhin hatten sich noch im Jahr 2011 über 360 Bundestagsabgeordnete, fraktionsübergreifend, ausdrücklich zu dem 0,7-Prozent-Ziel bekannt. Erst kürzlich ergab eine Umfrage, dass sich auch 80 Prozent der Deutschen für das Ziel aussprechen. 40 Prozent der Befragten wünschten sich sogar, mehr Geld für die Entwicklungshilfe zu verwenden.
Mehr Geld? Der FDP-Politiker Niebel denkt nicht daran. Wahrscheinlich hat er auch noch nie an die 0,7-Prozent-Marke geglaubt. Deutschland gibt derzeit gerade einmal 0,38 Prozent seines Bruttonationaleinkommens für die Entwicklungsarbeit aus. Andere europäische Länder wie Holland oder Dänemark haben dagegen schon jetzt ihr Versprechen eingelöst. Der Entwicklungsetat in Deutschland wurde dieses Jahr sogar gekürzt. Auch der Plan fürs nächste Jahr sieht Kürzungen vor. Glaubwürdiges politisches Handeln sieht anders aus.
Niebel sagte: Viel Geld auszugeben, sei nicht schwer. „Die richtige Wirkung zu erzielen, darin besteht die Kunst.“ Welche Logik steckt dahinter? Natürlich geht es um die Wirksamkeit der Hilfe. Um die muss es immer gehen. Aber wenn ich mehr Geld zur Verfügung habe, kann ich doch bei hoher Qualität auch mehr erreichen. So ist und bleibt die Entwicklungspolitik der Regierung ein Trauerspiel: Es stehen enorme globale Herausforderungen an und ein reiches Land wie Deutschland ist nicht bereit, seine Versprechen im Kampf gegen den Hunger zu halten. Und es könnte gar noch schlimmer kommen. Niebel meinte kürzlich, dass er sich vorstellen könne eine weitere Legislaturperiode Entwicklungsminister zu sein, weil er da viele Gestaltungsmöglichkeiten habe.