02.03.2016

Fastenserie

Eine lästige Aufgabe

Ein geistiges Werk der Barmherzigkeit: Unrecht geduldig ertragen.

Hielt Unrecht geduldig
aus: Josef von Ägypten
Foto: wikimedia/Leidl

„Nerv jetzt nicht“, „Du gehst mir auf den Zeiger“, „Stell dich jetzt nicht so an“ – Jeder von uns kennt sie, diese Zeitgenossen, denen wir solche Nettigkeiten entgegenschleudern möchten. Doch gerade jetzt in der Fastenzeit wollen wir Christen uns in den Werken der Barmherzigkeit üben. Das heißt auch: geduldig mit den Mitmenschen sein. 

Doch guter Wille und Barmherzigkeit hin oder her – es gibt diese Momente, in denen es uns die anderen ganz schön schwer machen. Gemeint sind die Menschen, die beim kleinsten Problem um Rat fragen. Menschen, die in unpassenden Situationen lange Telefonate führen möchten. Menschen, die völlig übertreiben. Sie strapazieren arg unser Nervenkostüm. Auch Jesus kannte sie und bisweilen waren es seine Jünger, die ihm gehörig auf den Keks gingen: „O, du ungläubige und unbelehrbare Generation! Wie lange muss ich noch bei euch sein und euch ertragen“, heißt es im Lukasevangelium. 

Eine Redensart sagt: „Geduld ist der Schlüssel zum Erfolg“. Doch Geduld erfordert Zeit und es scheint, als ob diese lästigen Menschen uns die Zeit stehlen. Es kostet uns Sekunden, um tief durchzuatmen und den Groll hinunterzuschlucken. Es braucht Minuten, um sich klarzumachen, dass das Gegenüber ja nicht mit böser Absicht handelt und es eigentlich nur gut meint – oder es einfach nicht besser weiß. Wir brauchen Stunden, um mit freundlichen Hinweisen dem anderen unser Problem zu erklären. Und es braucht ein ganzes Leben, um dieses Werk der Barmherzigkeit als eigene Tugend einzuüben.So bleibt die Geduld wohl die einzige Lösung.

Das Vorbild für „Lästige geduldig ertragen“ im Fensterbild der Wiener „Kirche am Steinhof“ ist Josef von Ägypten. Doch „lästig“ ist nicht treffend für das, was ihm zugestoßen ist: Von den eigenen eifersüchtigen Brüdern an Sklavenhändler verkauft, arbeitet er sich am Königshof in Ägypten hoch, fällt jedoch bei der Frau des Pharaos in Ungnade, da er nicht auf ihre Avancen eingeht, und wird ins Gefängnis geworfen. Auf Josef passt eher die zweite Beschreibung dieses geistigen Werks zu: Unrecht geduldig erleiden. 

Wie er das geschafft hat? Mit einem tiefen Glauben und Vertrauen auf Gott. Es gibt natürlich Situationen, in denen uns Unrecht getan wird. Der Glaube kann helfen, es auszuhalten – für eine Zeit lang. Denn eigentlich ist es die Aufgabe eines gläubigen Menschen, egal ob Christ, Jude oder Muslim, das Unrecht nicht aus-, sondern aufzuhalten. Unrecht gehört an die Öffentlichkeit, es muss angeprangert werden. So ist letztendlich auch der Glaube an die Auferstehung zu verstehen: Christus hat den Tod besiegt, dem Unrecht ein Ende gesetzt. Es also für alle Ewigkeit geduldig zu ertragen, ist nicht die Absicht dieses geistigen Werks der Barmherzigkeit. „Lästige geduldig ertragen, Unrecht geduldig erleiden“ – eine Aufgabe, die es in sich hat.

Von Kerstin Ostendorf