10.04.2013
Anfrage
Gibt es eine offizielle Gebetshaltung?
Seit einiger Zeit bemerke ich beim Vaterunser eine neue Gebetshaltung: die Hände links und rechts offen nach oben. Gibt es eine offizielle Gebetshaltung? Und woher stammt eigentlich unser traditionelles Händefalten?
W. S., Dresden
Albrecht Dürer hat bei vielen das Bild des Betens geprägt: Sein Bild „Betende Hände“ ist eines der bekanntesten religiösen Motive. Dabei sind flach aneinander gelegte Hände erst spät in das Gebetsleben gekommen. Die ursprüngliche Gebetshaltung ist das aufrechte Stehen vor Gott mit zum Himmel erhobenen Augen und Armen, die Hände weisen schalenförmig nach oben. Diese „Orantenhaltung“ (orare = beten) war jahrhundertelang die normale Gebetshaltung. In der Antike waren die erhobenen Hände und Augen in allen Religionen verbreitet. Auch Jesus mag manchmal so gebetet haben, aber nicht grundsätzlich, denn im Judentum ist eine „allgemeine Haltung“ nicht vorgeschrieben.
Heute nimmt in der katholischen Kirche nur noch der Priester die „Orantenhaltung“ ein und zwar bei den „Amtsgebeten“ (Tagesgebet, Gabengebet, Schlussgebet). Vor der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils galt auch das Vaterunser als Amtsgebet. Inzwischen hat es zwar seine Würde als „Volksgebet“ zurückbekommen, aber das Messbuch schreibt für den Priester noch die Orante vor.
Für die Gebetshaltung der Gemeinde gibt es keine Vorschriften, sondern eher Gewohnheiten. Die gefalteten Hände entsprechen der Haltung gegenüber dem Lehnsherren im mittelalterlichen Feudalsystem. Die Geste drückt Verehrung und Unterwerfung, aber auch die Konzentration auf Gott aus. Gleiches gilt für das Gebet mit verschränkten Fingern, das in der Reformation aufkam.
Bei der Gebetshaltung gibt es kein „richtig“ und „falsch“. Jeder sollte sich so ausdrücken, wie er empfindet. Entscheidend beim Gebet ist die innere Haltung, die sich in der äußeren Haltung ausdrücken kann. Es wird allerdings sowohl Priestern wie Gläubigen empfohlen, auf allzu ausladende Haltungen zu verzichten.
Susanne Haverkamp