15.01.2014

Immer mehr intime Daten über den Alltag von Millionen Menschen

Google und kein Ende ...

Thilo Weichert, der Datenschutzbeauftragte aus Schleswig Holstein, bringt es auf den Punkt: „Es ist ein Horrorszenario, was sich da abzeichnet“. Google wisse längst mehr als das Finanzamt über uns. Spätestens seitdem der US-Konzern jetzt auch „Nest“, den Hersteller von intelligenten Haus-Steuerungsgeräten, gekauft hat, ist klar: Der allwissende Internetriese hat sich endgültig Zutritt in unsere Privatsphäre verschafft.

Intelligentes Thermostat
(Screenshot: www.Nest.com)

„Wir sehen, wenn Leuten zu Hause ihr Toast verbrennt“, sagte vor kurzem Nest-Mitgründer Tony Fadell. Und zwar überall auf der Welt, wo die intelligenten Rauch- und Feuermelder seiner Firma installiert sind. Zudem fertigt das Unternehmen lernfähige, komplett miteinander vernetzte und fernsteuerbare Heizkörperthermostate. Sie machen zwar den Leuten, die Nest-Geräte benutzen, das Leben immer leichter. Doch zugleich geben die Menschen damit auch ihre Privatsphäre auf. Denn Nest weiß - den Daten seiner Geräte sei Dank - wann seine Kunden morgens das Bad benutzen, später zur Arbeit aus dem Haus sind oder es abends und am Wochenende im Wohn- oder Schlafzimmer mal besonders gemütlich haben wollen und die Heizung aufdrehen. Für 3,2 Milliarden Dollar hat Google nun Nest gekauft.

Google weiß längst mehr über uns, als uns allen lieb sein kann

Dabei weiß Google schon jetzt mehr über viele Menschen, als uns allen lieb sein kann. Der als Suchmaschine gestartete Internetriese durchleuchtet ja nicht nur, wonach wir im Netz so alles suchen. Nein, mit seinem Social Netzwerk Google+ kennt das Unternehmen längst auch die Freunde seiner Nutzer, sieht unsere Videos, hat Zugriff auf Fotos. Mit seinem Dienst Google-Mail, so mutmaßen Datenschützer, könnte das Unternehmen zudem jederzeit leicht herausbekommen, was wir wem wann geschrieben haben. Google-Calendar ermöglicht dem Unternehmen darüber hinaus den Zugriff auf die privaten und beruflichen Termine seiner Nutzer. Mit moderner Gesichtserkennungssoftware (etwa bei der Google-eigenen Fotosoftware Picasa) lassen sich Personen auf Privatfotos jederzeit wiedererkennen und somit auch ungefragt zuordnen. Über seine Navigationssoftware, die GPS-Ortungsfunktion von Smartphones und den Kartendienst Google-Maps kann sich das Unternehmen einen Überblick über unsere Bewegungsmuster verschaffen.

Wie gut Google schon jetzt seine Nutzer durchschaut, beweist der digitale Assistent Google Now, der mit unheimlicher Trefferwahrscheinlichkeit Vorschläge zur Organisation des Alltags liefert. Doch auch das ist noch längst nicht alles. Spätestens seitdem Google über das Betriebssystem Android auch auf immer mehr Smartphones und Tablets vertreten ist und immer mehr Software und Apps über seinen Play-Store verhökert, ist der US-Gigant seinem Traum, alles mit allem zu vernetzen, wieder ein Stück näher gekommen. Dass dabei intime Daten über den Alltag von Millionen Nutzern abfallen, ist ausdrücklich Teil der Kalkulation.

Das US-Unternehmen gilt vielen Computerspezialisten längst als Daten-Krake

Googles größte Firmeneinkäufe -  Grafik: Statista

„Google ist eine Krake“, sagen einige meiner Freunde, die in der Computerbranche arbeiten. Ich mag und will das an dieser Stelle nicht kommentieren. Aber für mich persönlich steht schon länger fest. Ich umgehe Google, wo immer es mir möglich ist. Als Suchmaschine nutze ich lieber Dienste wie DuckDuckGo oder - zur Not - Bing. Anders als bei Google kann ich hier meinen Suchverlauf schnell mal löschen. Was Google oder andere "Soziale Netzwerke" wie Facebook da treiben und über uns alle wissen wollen, ist mir - auf Deutsch gesagt - längst eine Spur zu dick. Als vor Jahr und Tag publik wurde, dass Google für seinen Kartendienst Streetview nicht nur die meisten Straßen, Häuser und Autos dieser Welt abfotografiert hat, sondern nebenbei (angeblich aus Versehen) auch die Daten vieler WLANs erfasst hat, schrillten bei mir die Alarmglocken. Als ich dann vor gut einem Jahr mal vergeblich versucht habe, die "Hintergrunddienste" bei einem Android-Handy abzuschalten, war bei mir endgültig „Schicht im Schacht“. Ich stieg auf ein Windows-Phone um. Da geht das nämlich.

Natürlich weiß ich, dass auch Microsoft "nicht ohne" ist. Doch die Entwicklung von Google geht ja jetzt – mit dem Einstieg in den Hardwaremarkt - erst so richtig los. Längst hegt Nest (und somit Google) auch Pläne, wie man die Lichtsteuerung oder die Türschlösser mit derselben intelligenten Steuerung der Nest-Thermostate aufrüsten kann. Über Bewegungsmelder und Temperatursensoren in den Geräten könne das Unternehmen, so sagen Experten, angeblich schon jetzt auf seinen Servern erkennen, in welcher Wohnung in welchem Haus wer gerade anwesend ist oder eben nicht.

Solche Szenarien müssen einem vielleicht keine Angst oder gar Panik machen. Aber die Entwicklung zeigt doch, wie leicht und locker Google inzwischen selbst düsterste Überwachungs- und Zukunftsvisionen ein- und sogar überholt hat. Und zwar rechts und links gleichzeitig! Höchste Zeit also, dem ganzen Datenwahn mal etwas entgegenzusteuern, meint

Ihr Webreporter Andreas Kaiser