10.09.2014
Kommentar
Neues Vertrauen nötig
Von Kerstin Ostendorf
Mehrere junge muslimische Männer patrouillieren in orangefarbenen Warnwesten durch Wuppertal und spielen sich als islamische Sittenwächter auf. Die „Scharia-Polizei“ macht Halt vor türkischen Geschäften, vor Cafés und Spielhallen, warnt vor Glücksspiel und Alkohol. Mittels Handzetteln erklären sie Teile der Wuppertaler Innenstadt zur Scharia-kontrollierten Zone – mitten in Deutschland. Zurecht greift hier die Polizei ein und zurecht ist die Empörung groß bei Bürgern, Politikern und vielen Muslimen. Zurecht befürchtet der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek: „Diese Halbstarken schaden mit dieser schrillen und völlig unsinnigen Aktion den Muslimen ungemein.“
Der Islam in Deutschland hat ein Problem, die Deutschen haben mit dem Islam ein Problem und auch viele Muslime haben mit den fundamentalistischen Auswüchsen ein Problem.
In den täglichen Nachrichten übertreffen sich die Meldungen: Im Nahen Osten mordet die islamistische Terrorgruppe „Islamischer Staat“ wahllos Menschen anderer Religionen, um ein „Kalifat“ zu errichten. Mittlerweile kämpfen vermutlich 400 Dschihadisten aus Deutschland in Syrien und im Irak. Es ist zu befürchten, dass radikalisierte Rückkehrer eine Bedrohung in Deutschland darstellen. Seit Anfang der Woche stehen außerdem in Düsseldorf vier Salafisten vor Gericht. Die Anklage: Gründung einer terroristischen Vereinigung, Verabredung zum Mord und Verstoß gegen das Waffengesetz. Da überrascht es nicht, dass in einer neuen Forsa-Umfrage 52 Prozent der Befragten angeben, für sie gehöre der Islam nicht zu Deutschland. Angst, Vorurteile, Kritik und Fragen gegenüber der Religion nehmen zu.
Die meisten Muslime in Deutschland haben mit den fundamentalistischen Splittergruppen nichts gemein. Daher leiden viele Muslime unter Ausgrenzung und Argwohn. Damit sich das ändert, braucht es allerdings mehr als Gesprächskreise oder einen jährlichen Tag der offenen Moschee. Die kleinen Aktionen und Treffen sind zwar nötig – so fand in Berlin gerade eine Nacht der Religionen statt und Frauen verschiedener Religionsgemeinschaften, darunter auch Muslima, demonstrierten für Menschenrechte und gegen religiösen Fundamentalismus – doch es braucht ein größeres Zeichen. Die muslimischen Dachverbände sollten sich zusammenschließen: Eindeutige, gemeinsame Aussagen zu Salafismus und Terrorgruppen wie „IS“ wären ein wichtiger Schritt zu mehr Vertrauen.