31.01.2012

Zwischen Genie und Wahnsinn

Ninas Netzwelt

Die "Godmother of Punk", Nina Hagen, bekennt sich neuerdings zu Jesus Christus und pendelt auf Facebook zwischen Genie und Wahnsinn.

 

Facebookseite von Nina Hagen

Die Facebookseite von Nina Hagen mit der Songliste ihrer neuen Platte "Volksbeat"

 

Das Netz ist anders. Anders als etwa bei Film und Fernsehen - oder ganz früher bei der Lektüre von Büchern oder Zeitungen - folgt der Mensch im Internet meist keinen linearen Erzählstrukturen. Dem Hyperlink sei Dank, kommt man schnell vom Hölzchen aufs Stöckchen. Der Mensch mutiert oder fragmentiert im Cyberspace schnell zu einem fast archaischen Jäger und zum Sammler. Doch anders bei unseren Vorfahren, deren Verhalten noch den Sinn der Existenzerhaltung hatte, ist die moderne Schnitzeljagd oft absolut sinnfrei.

Zwar kann das Anhäufen von nutzlosen Informationen gelegentlich durchaus Spaß machen, aber angesichts der vielen ungeprüften, falschen und manchmal sogar bewussten Fehlinformationen ist das Stöbern – zumindest für leicht manipulierbare Geister – auch nicht immer ganz ungefährlich. Ein wunderbares Beispiel dafür, wie man sich im Netz komplett verzetteln kann, liefert die Facebook-Seite von Nina Hagen. Nach Ausflügen in die Drogensucht, den Hinduismus und die Ufologie, hat sich die Hagen erst vor wenigen Jahren taufen lassen und bekennt sich auch in der Öffentlichkeit immer häufiger zu Jesus Christus.

Verschwörungstheorien auf den Leim gegangen

Auf ihrer Facebook-Seite jedoch wirkt die "Godmother of Punk" mitunter etwas fiebrig. Mehrmals am Tag haut die hyperaktive Missionarin neue Links und Meinungen ins Netz. Mal engagiert sie sich, durchaus ehrenhaft, gegen Nahrungsmittelspekulationen, gegen Tierquälerei oder für die Occupy-Bewegung. Oft genug aber geht die mittlerweile 56-jährige Musikerin auch einfach nur den im Internet gängigen Verschwörungstheorien auf den Leim.

So findet sich auf ihrer Seite eine umfangreiche Chemtrail-Diskussion (Apokalyptiker glauben, dass in den Kondensstreifen von Düsenflugzeugen auch geheimnisvolle Chemikalien ausgebracht werden, mit denen die Menschheit manipuliert werden soll). Bei Gloria TV findet sich sogar eine Diskussion der Berliner Göre mit einem gewissen Wolfgang Eggert. Eggert ist ein Buchautor und Journalist, der laut EsoWatch.com auch gerne mal gegen das Judentum und eine angebliche zionistische Weltverschwörung polemisiert. Wohl nicht umsonst hatte bereits TV-Moderatorin Sandra Maischberger der guten Nina einst nachgesagt, dass in ihrem Kopf manchmal etwas durcheinander läuft.

Zurück zu den musikalischen Wurzeln

Nina Hagen
Nina Hagen hat Ende 2011 ein neues
Album herausgebracht.

Trotz solcher Abgedrehtheiten aber lohnt ein Besuch in Ninas Netzwelt. Ihre Tipps auf der sogenannten Facebook-Pinnwand in Sachen christlicher Pop-, Sub- und Musikkultur (Blues, Rock, Folk, Gospel etc.) sind mitunter sensationell. Nur einen Mausklick voneinander entfernt können hier das großartige "Walk with me Jesus" von Darrell Mansfield oder das mitreissende "Living for Jesus" der Blind Boys of Alabama bestaunt werden (beide Titel hat Nina auf Youtube entdeckt. Und dementsprechend haben auch wir die Titel verlinkt).

Recht hörenswert ist neuerdings auch Hagens eigener musikalischer Output. Erst Ende 2011 brachte sie mit "Volksbeat" ihre nunmehr zweite Platte heraus, in der die Bibel monolithisch im Mittelpunkt steht. Anders als auf dem Gospel-Album "Personal Jesus" von 2010 kehrt Nina Hagen auf "Volksbeat" mit großer Leichtigkeit und unüberhörbarer Lebensfreude zu ihren musikalischen Wurzeln zurück: Ska, Punk und Rock. Richtig schön handgemacht. Genie und Wahnsinn liegen eben doch ganz eng beieinander.

Ihr Webreporter Andreas Kaiser