11.08.2014

Meinungsmacher versus Mehrheitsmeinung?

Pressekompass: Nachrichten provokant zugespitzt

Dass eine Presseschau nicht immer bieder und altbacken daher kommen muss, zeigt der Pressekompass. Auf dem Internetportal werden aktuelle Nachrichten und Kommentare aufgegriffen und griffig zugespitzt, und dann in Form eines Kompasses grafisch dargestellt. Beteiligen können sich alle.

Aktueller geht es fast nimmer. Kaum war am vergangenen Wochenende die Wahl von Recep Tayyip Erdogan zum neuen türkischen Präsidenten über die Bühne gelaufen, stand auch schon der neue Pressekompass online. Gefragt wurde, wie immer provokant zugespitzt: „Ist Erdogan der Putin vom Bosporus?“. Die Meinung von Kommentaroren fiel recht einhellig aus …

Auch der Spiegel kooperiert schon...

Seit Anfang 2013 versucht ein Team junger Journalisten mit solchen und anderen Fragen, die unübersichtliche Informationswelt zu ordnen. Und sie tun dies – wie zahlreiche Kooperationen mit anerkannten Verlagen und Zeitungen, etwa „Die Welt“ oder „Spiegel Online“ beweisen – mit zunehmendem Erfolg. Anders als bei anderen, meist wort- bzw. textlastigen Presseschauen, stellen die Macher die Meinungsvielfalt dabei grafisch dar. In Form eines Kompasses (mit jeweils vier Meinungspolen) gehen sie aktuellen Medienthemen nach. So wurde jüngst auf dem Portal zum Beispiel gefragt: „Wer soll die Polizeieinsätze bei Bundesligaspielen bezahlen. Staat oder Vereine?“, „Musste Edward Snowden wirklich so handeln?“, oder „Ist Fracking schädlich, aber nötig?“.

Bundespräsident Gauck ein Kriegstreiber?

Auf dem Kompass lässt sich zudem schnell und einfach nachverfolgen, was die sogenannten Leitmedien schreiben und wie sie ihr Urteil begründen. Zudem, und das ist der eigentliche Clou, können auch alle anderen Leser und Internutzer ihren Kommentar abgeben. Dazu müssen sie per Mausklick oder Fingerwisch lediglich einen Punkt in den Kompass platzieren. Und mit etwas Glück bewegt sich dann die Meinungsnadel in eine andere Richtung.

Wie weit oft Volkes Stimme und die Meinung der Zeitungskommentatoren zuweilen auseinander liegen, zeigt das Beispiel von Bundespräsident Joachim Gauck, der vor wenigen Wochen angemahnt hatte, Deutschland müsse mehr internationale Verantwortung übernehmen, und notfalls die Menschenrechte mit der Waffe verteidigen. Während viele Journalisten Gauck in Schutz nahmen, fiel die Meinung der Internetnutzer einhellig und deutlich negativer aus: Gauck sei ein Kriegstreiber.

Manchmal erinnern die Zuspitzungen auf Pressekompass,net fast an alte Zeiten, in denen die links-alternative Postille "taz" noch eine gewisse Relevanz hatte :-). Doch das muss ja nicht immer schlecht sein... Etliche Themen sind zudem bewusst an ein junges Publikum gerichtet. So wurde jüngst gefragt, ob die derzeit grassierende Handy-App „Tinder“ eher die große Liebe anstoße, oder doch nur zum schnellen Sex animiere.

Mit provokanten Thesen zum Grimme-Preis

Erfunden hat den Pressekompass übrigens die WELT-Volontärin Pia Frey gemeinsam mit ihrem Bruder Cornelius Anfang 2013. Nach dem Philosophiestudium besuchte sie die Axel Springer Akademie in Berlin. Als freie Journalistin arbeitete Frey schon für Titanic, Cicero, den Tagesspiegel und das Philosophie Magazin. Im einem Interview mit dem Europäischen Journalismus-Observatorium, kurz EJO, äußerte sich die ehrgeizige, junge Frau umfassend über ihre Idee, deren Umsetzung und erzählte, wie sie die aktuelle Medienkrise als Chance genutzt habe, um neue Formate im Netz zu etablieren …

Und weil das Projekt der beiden Freys nicht nur zahlreiche Medienpartner überzeugte, sondern auch immer mehr neutrale Beobachter, heimste das Portal Ende Juni sogar einen der begehrten Grimme-Preise ein. In der Begründung hieß es, dem Pressekompass sei es „mit seiner formgebenden Innovation“ auf Anhieb gelungen, sowohl „die Meinung traditioneller Medien als auch die Nutzermeinung gebündelt sichtbar zu machen.“ Zudem überzeuge das Angebot „mit einem übersichtlichen und gut umgesetzten Webdesign“. Wohl wahr!

Ihr Webreporter Andreas Kaiser