02.04.2013

Anfrage

Seit wann spricht man von der Zeit „nach Christus“?

Seit wann spricht man in der Zeitrechnung von der Zeit „n. Chr.“ – also der Zeit nach Christi Geburt? Die Zeitgenossen Jesu haben das wohl kaum schon so benannt, oder?

M. R., Fulda

Die Bezeichnung „nach Christi Geburt“ oder „seit der Fleischwerdung des Herrn“ (ab incarnatione Domini) für unsere Zeitrechnung ist erst ab dem 6. Jahrhundert belegt. Sie wird dem römischen Mönch Dionysius Exiguus zugeschrieben. Dieser wollte die damals im Reich übliche Jahreszählung seit der Herrschaft des Kaisers Diokletian nicht als Maßstab nehmen, auch weil Diokletian als Tyrann und Christenverfolger in die Geschichte eingegangen war. Auch eine Zeitrechnung „ab urbe condita“ – seit der Gründung der Stadt Rom – und weitere Berechnungsmodelle, etwa nach der Amtszeit der römischen Konsuln, erschienen nicht angemessen.

Der Mönch hat Christus als den wahren Herrn über die Zeit gesehen. Mit dessen Geburt hat ein neues Zeitalter begonnen. Bis heute existieren zahlreiche Berechnungsmodelle, etwa im jüdischen Kalender „seit Erschaffung der Welt“ (2013 ist das Jahr 5773/74), im islamischen Kalender seit der „Auswanderung Mohammeds von Mekka nach Medina“ (aktuelles Jahr: 1434/35), oder im buddhistischen Kalender, der mit dem Todesjahr des Gründers beginnt (aktuelles Jahr: 2557).

Mehrere Berechnungsfehler haben die Zeitmodelle immer wieder als fraglich und in gewisser Weise auch willkürlich erscheinen lassen. Durchgesetzt hat sich die christliche Zeitrechnung erst unter Karl dem Großen und später, also nach dem 9. Jahrhundert. Der Gregorianische Kalender, den wir heute kennen, entstand erst Ende des 16. Jahrhunderts unter Papst Gregor XIII. und löste den Julianischen Kalender nach und nach ab.

In allen Berechnungen wird deutlich, dass die Zeit den Menschen von jeher beschäftigt hat, gleichzeitig aber auch, dass die Zeit am Ende für den Menschen immer unverfügbar bleibt. Wer Christus „gestern, heute und in Ewigkeit“ als Herrn über Zeit und Ewigkeit sieht, kann jedes Jahr als „Anno Domini“, als Jahr des Herrn, sehen und als von Gott geschenkte Zeit annehmen.
Michael Kinnen