05.08.2013

Wie Politiker und Parteien soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter nutzen

Selbstdarstellung statt Partizipation

Im Internet herrscht im Wahlkampf Hochbetrieb. Mehr als 86 Prozent der deutschen Politiker haben einen „Social-Media-Account“. Mehr als ein Drittel der Deutschen glaubt gar, dass die Bundestagswahl im Netz entschieden wird. Doch Medienexperten fanden jetzt heraus: Facebook und Twitter führen keineswegs zu mehr Demokratie. 

Angela Merkel bei Facebook!

Natürlich ist die Welt – dem Internet sei Dank – längst zum Dorf geworden. Jeder kann mitreden, darf tratschen und klatschen, was das Zeug hält: Doch die Hoffnung, dass mit Facebook, Twitter & Co. mehr Demokratie entstanden ist, entspricht nicht den Tatsachen. Die viel beschworenen neuen Medien führen auch nicht zu mehr Transparenz, wie sich das die Piratenpartei erträumt … Das Internet ist für Parteien, Kirchen und Verbände vor allem eins: ein  Marketinginstrument. Sie nutzen die neuen Medien meist nur zur „Sackgassen-Kommunikation“.

Zwar twittern etliche Politiker gerne und reichlich. Doch abseits ihrer „Verlautbarungen“ ist es ihnen zumeist ebenso schnurz wie piepe, was das Volk auf ihre Statements antwortet. Dies jedenfalls ergab eine Auswertung der Otto Brenner Stiftung von etlichen Internet-Auftritten. Für die Studie „Der Partizipationsmythos“ hatte die Stiftung zudem alle im Bundestag vertretenen Parteien und die Piraten zu ihrer Online-Strategie befragt. Mit sogenannten Votings oder Umfragen „inszenieren“ Parteien Beteiligung eher, als dass sie sie tatsächlich ermöglichen.

Sogenannte Social Media sind eher unsoziale Plattformen

oWenn Deutschlands Verbände und Parteien im Netz aktiv sind, „werden soziale Medien oft zu unsozialen Medien“, sagte Olaf Hoffjann, Professor für Medien und Marketing an der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften in Braunschweig erst jüngst der WAZ. Bei Facebook Twitter und Co. werde mit „Einbahnstraßen-Angeboten“ eine „Sackgassen-Kommunikation“ betrieben. „Die Parteien schöpfen das Potenzial der sozialen Medien nicht aus“, meint auch Andrea Römmele von der renommierten Hertie School of Governance.

Trotzdem ist mehr als ein Drittel der Deutschen (37 Prozent) fest davon überzeigt, dass die nächste Bundestagswahl im Internet entschieden wird. Dies ergab eine ebenfalls erst jüngst vom Branchenverband Bitcom publizierte Meinungsumfrage. Von Verhältnissen wie in den USA, wo das Internet beim ersten Wahlsieg von Präsident Barack Obama eine wichtige Rolle spielte, ist Deutschland noch meilenweit entfernt. Für uns, die Wähler, sind die klassischen Medien wie Fernsehen und Zeitungen noch immer die wichtigsten Informationsquellen.

Familienministerin Schröder fast genauso beliebt wie Steinbrück

Bei Twitter nicht sonderlich beliebt: der SPD Kandidat
Peer Steinbrück

Gleichwohl haben inzwischen sogar die Hinterbänkler der Politik die Bedeutung sozialer Netzwerke erkannt. 86 Prozent der Bundestagsabgeordneten haben mindestens ein Social-Media-Profil. 76 Prozent sind auf Facebook aktiv, 50 Prozent nutzen Twitter und 41 Prozent YouTube. Die meisten Fans im Internet hat übrigens Bundeskanzlerin Angela Merkel. In einer vor wenigen Wochen publizierten Studie der Netz-Plattform Pluragraph führte sie mit großem Vorsprung die Tabelle der deutschen Politiker im Internet an. Am 30. April hatte sie bereits 245.667 Fans bei Facebook. Tendenz stark steigend.

Auch wenn der Chef des Umfrage-Instituts Forsa erst jüngst von einer „ungeheuren Popularität“ der Kanzlerin im Internet fabulierte, sind die deutschen Klick-Zahlen vergleichsweise ernüchternd. Den rund 100.000 Followern von Regierungssprecher Steffen Seibert bei Twitter stehen immerhin 62 Millionen Wähler gegenüber. Auch im Vergleich zu den zig Millionen Facebook-Freunden von Barack Obama haben sämtliche deutsche Politiker noch reichlich Luft nach oben.

Recht beliebt ist im Netz übrigens Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU). Sie hat bei Twitter immerhin rund 38.000 Follower. Für einen Kanzlerkanditaten eher dünn dagegen nehmen sich die rund 40.000 "Verfolger" von Peer Steinbrück aus. Da ist sogar Umweltminister Peter Altmaier (CDU) beliebter! Er hat bei Twitter  rund 45.000 Follower.

Die Untersuchung und Klickzahlen zeigen daher vor allem eins: Es gibt wichtigere Dinge als „Hashtags“ und das oft inhaltlich dünne und zuweilen stark selbstverliebte 140-Zeilen-Gezwitscher, meint

Ihr Webreporter Andreas Kaiser