15.08.2012

Kommentar

Solidarität ist eine Tat

Von Andreas Kaiser

Für den Wohlstand unseres Gemeinwesens gibt es zwei gute Gründe. Steuern und Sozialabgaben. Zwar finanziert die wirtschaftliche Elite noch immer den Großteil der Staatsausgaben. Doch ihr Anteil wird stetig geringer. Weil beim Bau der Währungsunion versäumt wurde, eine gemeinsame Steuerpolitik zu entwickeln, haben sich die EU-Staaten zuletzt einem ruinösen Steuersenkungswettbewerb geliefert. Abgaben auf Kapitalerträge, Unternehmensgewinne, Spitzengehälter und Vermögen wurden runtergefahren. Allein in Deutschland haben die Steuersenkungen seit 1998 ein Gesamtvolumen von 51 Milliarden Euro. Pro Jahr!

Dieser Verzicht hat nicht nur die Reichen immer reicher gemacht. Er hat auch große Lücken in die öffentlichen Haushalte gerissen. Vor allem in Südeuropa wurden hohe Schulden angehäuft. Die daraus resultierenden Kürzungen im Sozialbereich bedrohen längst den sozialen Frieden. Auch in Deutschland wird die Luft dünner. Egal ob Bildung, Straßenbau oder Pflege. Immer häufiger fehlt es am Geld. Von Schwimmbädern und Kulturstätten ganz zu schweigen.

Dabei steht längst fest: Einsparungen allein werden nicht reichen. Um den Staatshaushalt und den Euro zu retten, müssen höhere Einnahmen her. Dass dabei aber nicht nur ein Land für das andere geradestehen, sondern auch die jeweilige Oberschicht mehr Verantwortung übernehmen sollte, machen zwei Beispiele klar. Im klammen Italien gibt es mit 1,4 Millionären 400 000 mehr Millionäre als in Deutschland. Und in Griechenland stehen 280 Milliarden Euro Staatsschulden 700 Milliarden Euro Privatvermögen gegenüber.

Angesichts der Krise, an der die Banken eine Mitschuld tragen, ist es ein Skandal, dass Arbeit noch immer höher besteuert wird als das Jonglieren mit Finanzwetten. Als Ammenmärchen entpuppt sich auch die liberale Kernaussage, dass höhere Abgaben volkswirtschaftliches Gift sei. Kaum ein Land steht aktuell so gesund da wie Finnland oder Schweden, wo die Steuern traditionell besonders hoch sind. Die Wirtschaft knickt eher dort ein, wo die Reichen dem Markt Geld entziehen. In den Steueroasen in der Schweiz oder Übersee liegen bereits mehr als 21 Billionen Dollar brach. Dass nun einige Wohlhabende höhere Steuern für ihresgleichen fordern, ehrt sie. Doch Solidarität ist kein Bekenntnis, sondern eine Tat. Und es ist Aufgabe des Gesetzgebers für Gerechtigkeit zu sorgen. Die katholische Soziallehre mahnt seit jeher die Rückbindung des Eigentums an die soziale Verantwortung an.