16.02.2012

Stammt das Kreuzzeichen aus dem Heidentum?

Ich habe gehört, das Kreuz und das Kreuzzeichen stammten aus dem Heidentum. In der Bibel heiße es, dass Jesus an einen Pfahl gehängt wurde. Erst viel später sei das Kreuz zum Symbol der Christen geworden, weil andere Religionen dies schon kannten. Damit sei es einfacher gewesen, dem Christentum beizutreten. Stimmt das?
P. B., Niederkrüchten

Das Kreuz ist ein uraltes Zeichen, das schon auf Höhlenzeichnungen aus der Steinzeit nachzuweisen ist. Die zwei Linien, die sich kreuzen, verbinden Horizontale und Vertikale so, dass damit auch die Verbindung von Himmel und Erde und auf der Erde selbst eine umfassende Raumordnung nahelegte. Das wurde in vielen frühen Kulturen schon vor dem Christentum verwendet. Auch die Pyramiden haben das Kreuz als Grundordnungsmuster. Ebenso findet sich das Kreuz in der Mathematik (Plus- und Malzeichen), besonders in der Geometrie. Zudem ist das Kreuz im Menschen selbst angelegt, wenn er die Arme ausstreckt.
Der Pfahl und das Balkenkreuz wurden vermutlich zunächst von den Persern, später von den Römern als Folterwerkzeug und Hinrichtungsinstrument benutzt. Im Neuen Testament wird nur an zwei Stellen vom Pfahl (xylon) statt vom Kreuz (staurós) gesprochen: Einmal zitiert Petrus in Cäsaräa (Apostelgeschichte 10,39) und einmal Paulus im Galaterbrief (3,13) die Aussage der Tora: Wer am Pfahl hingerichtet wurde, ist ein von Gott Verfluchter (Deuteronomium 21,22–23). Mit dem Vorwurf mussten sich die Christen auseinandersetzen.
Durch den christlichen Glauben ist das Kreuz von einem Schandzeichen zum Zeichen des Heils geworden. Paulus spricht davon bereits im ersten Brief an die Korinther. Als sichtbares Symbol für das Christentum hat sich das Kreuz ab dem dritten Jahrhundert durchgesetzt. Als erster hat der Kirchenvater Cyprian (200–258) das Bekreuzigen als christliches Symbol festgeschrieben. Mit den Fingern über Stirn, Rumpf und Schultern zeichnet die Geste dieses Heilszeichen auf den Körper nach und umfasst sinnbildlich den ganzen Menschen. Deshalb wurde es auch als Schutzzeichen verstanden. Das Bekreuzigen ist dabei auch ein Bekenntnis zum gekreuzigten und auferstandenen Christus und wird so bis heute als Segensgeste verstanden.
Michael Kinnen