06.05.2013
Tauschen ist Trend
Besitzen ist out, teilen ist in. So etwa lässt sich der neueste gesellschaftliche Trend namens Share-Economy zusammenfassen. Im Internet boomen Tauschbörsen, in Deutschlands Städten floriert das Car-Sharing. Sogar Geschäftsideen und Firmengründungen werden geteilt. Crowdfunding heißt hierfür das Modewort.
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Immer mehr "Start-Ups" springen derzeit auf den Tauschhandelszug auf |
Hand aufs Herz. Viele Dinge des täglichen Lebens brauchen wir nicht wirklich. Schon gar nicht für die Ewigkeit. Es reicht, wenn wir sie uns im Bedarfsfall leihen, etwa den Smoking für den einmaligen Abendempfang oder den Tapeziertisch zum Renovieren der neuen Wohnung. Doch während der Weg zum Nachbarn für viele offenbar schambesetzt ist, boomt im World Wide Web die „Share-Economy“ oder „Shareconomy“; was auf Deutsch so viel wie Tausch-Wirtschaft heißt. Auf der "CeBit" in Hannover war sie Anfang März das mit Abstand meist diskutierte Thema. Das Prinzip „mein Haus, mein Auto, mein Boot“, das uns einst die Sparkassen-Werbung eintrichterte, es hat ausgedient. Im Internet kann man inzwischen alles teilen und tauschen, was nicht niet- und nagelfest ist. In Großstädten wie Berlin und München feiern Car-Sharing-Unternehmen wie Stadtmobil, DriveNow, Cambio oder Car2Go (nur um mal ein paar zu nennen) fröhliche Urständ. Neun Prozent der Deutschen, so besagen es jüngste Umfragen, haben es schon getan. Immer mehr junge Start-Up-Unternehmen springen derzeit auf den Tauschhandelszug auf.
„Man kann seinen gesamten Haushalt eigentlich auseinandernehmen und fast komplett tauschen, teilen oder verleihen. Es gibt auch für fast alles eine Plattform, wo man es anderen zur Verfügung stellen kann“, sagt Michael Aechtler, Betreiber der Internet-Leihbörse Leihdirwas. 2010 gegründet, ist Aechtlers Firma der derzeit angeblich größte Anbieter seiner Art in Deutschland. An normalen Tagen können die dort rund 10.000 registrierten Mitglieder auf etwa 8.000 Artikel zurückgreifen. Von der Bohrmaschine über die Spielkonsole oder Tätowierpistole bis hin zur neuesten "Two And A Half Men - Staffel" auf DVD wurde bei Anbietern wie Tauschticket oder Pamundo schon alles getauscht. Sogar Busfahrten lassen sich neuerdings gemeinschaftlich buchen. Wenn sich bei Deinbus.de genug Interessierte für eine Strecke finden, startet der Bus. Das Prinzip der Mitfahrzentrale lässt schön grüßen.
Geteiltes Großprojekt, doppeltes Glück?
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Viele Geldgeber: ein Projekt! Auch etliche Künstler greifen auf die Crowdfunding zurück. |
Eine weitere, hochinteressante Facette der „Shareconomy” ist die gemeinsame, private Finanzierung von größeren Projekten, bei denen der einzelne Geldgeber aber jeweils nur eine kleine Summe investiert. Über das sogenannte Crowdfunding (Massengründungen) kann sich jedermann an einem Start-up-Unternehmen beteiligen, von dem er glaubt, dass dessen Geschäftsidee zukunftsfähig ist. Der weltweit größte Anbieter dieser Art ist Kickstarter. Hier wurden seit Unternehmensgründung im Jahr 2009 schon 350.000 Projekte erfolgreich angestoßen, und mit einer Gesamtfördersumme von mehr als 500 Millionen Dollar finanziert. Mitmachen kann jeder. Auch etliche Kunstschaffende, etwa angehende Filmregisseure, Tanz-Choreografen, Modeschöpfer und Theaterdramaturgen haben hier schon Geldgeber gefunden. Zum Vergleich: Das deutsche Unternehmer Startnext wirbt derzeit mit 640 erfolgreich finanzierten Projekten. Nachahmer gibt es auch hier reichlich. Weltweit konkurrieren bereits rund 140 Crowdfunding-Anbieter miteinander.
Alternative zur Wegwerfmentalität
Teilen, leihen und tauschen sind eine sinnvolle Alternative zu übermäßigem Ressourcenverbrauch und Wegwerfmentalität, sagt Catrin Krueger von der Verbraucher-Initiative. Auch das Internetauktionshaus eBay ist inzwischen mit einem speziellen Kleinanzeigen-Tauschmarkt auf den Zug aufgesprungen. Natürlich ist das Tauschen auch für regionale Anbieter ein interessanter Wirtschaftszweig. Im Raum Aachen etwa betreibt ein Abfallentsorger (sicher nicht ganz uneigennützig) die Plattform Tauschen und Verschenken. Sogar die Industrie hat die Share-Economy jetzt für sich entdeckt. Demnächst will die Telekom ihre Kunden animieren, ihr heimisches WLAN-Gerät für die Allgemeinheit freizugeben, um so über Deutschland ein flächendeckendes Datenfunknetz auszuspannen. Über den Dienst „Joyn“, sollen Kunden Kurznachrichten und Dateien miteinander tauschen können. Dass der Betrieb von den zig neuen Tauschplattformen im Internet aber nie altruistisch ist, sondern - wie fast alles im Geschäftsleben – eben doch nur auf den schnöden Profit ausgerichtet ist, macht das Beispiel von Mitfahrgelegenheit.de deutlich. Ab sofort fallen dort pro vermitteltem Beifahrer satte elf Prozent Bearbeitungsgebühr an.
Ihr Webreporter Andreas Kaiser