03.01.2014
Kommentar
Tragödie und Chance
Von Roland Juchem
Organisatorisch und vom Standpunkt der Öffentlichkeitsarbeit aus betrachtet ist die Umfrage zur Sondersynode über Familienpastoral im Herbst unprofessionell. Wenn es um Erfahrungen und Einschätzungen der einfachen Gläubigen geht, fehlt dem Vatikan einfach Erfahrung. Aber das kann ja noch werden. Das Projekt ist keine wissenschaftliche Erhebung. Zu unterschiedlich ist das Vorgehen in Diözesen und Ländern, zu gering die Zahl der Teilnehmer, zu kurz die Zeit und zu unspezifisch oder zu speziell sind die Fragestellungen.
Dennoch ist allein die Aufforderung, die Bischöfe mögen zu Fragen rund um Partnerschaft, Ehe, Sexualität und Familie ihre Gläubigen befragen, ein wichtiges und gutes Signal. Viele Befunde sind nicht neu, aber sie präsentieren klarer Tendenzen oder legen kontroverse Haltungen unter Gläubigen offen.
Zudem gibt es Nebenerkenntnisse: So sollen im finanziell und personell bestens ausgestatteten Erzbistum Köln Hauptamtliche ziemlich erschrocken sein, wie wenig ihre eigene Arbeit wahrgenommen wird. In den Fachabteilungen des Generalvikariats sei man erstaunt über die dokumentierte Feststellung beinahe aller Rückmeldungen, im Erzbistum Köln gebe es „keine Pastoralprogramme“. Unverständliches kommt nicht nur aus Rom …
Ein erstes Fazit der Aktion lautet: Es ist eine „Tragödie, dass die Kirche bei Themen wie Sexualethik, Ethik der menschlichen Beziehungen und der Partnerschaft, bei Familienplanung und Geburtenregelung aufgrund der innerkirchlichen Situation weitgehend sprachlos und damit auch wirkungslos geworden ist“. So formuliert es ZdK-Präsident Alois Glück mit Recht.
Gleichzeitig ist es schön, dass die Umfrage und die Offenheit des Papstes bei dem Thema ein neues Gesprächsklima ermöglichen – in Gemeinden, Bistümern und bei der Synode im Oktober dieses Jahres. Dort werden dann von Teilnehmern aus anderen Kontinenten noch andere Erfahrungen und Einschätzungen zu hören sein als hierzulande.
Kritisch zu beobachten sind gleichzeitig überzogene Erwartungen, die mit der Umfrage geschürt werden. Die katholische Kirche wird nicht zu gänzlich neuen Auffassungen kommen. Das soll sie auch nicht, wie die Umfrage ebenfalls belegt. Aber es gibt Fragen, die zur Nagelprobe werden für eine glaubwürdige, wahrhaft menschliche Seelsorge. Beim Umgang mit Geschiedenen etwa oder in Fragen der Familienplanung lässt sich der eklatante Spagat zwischen der Seelsorge im Einzelfall und dem allgemeinen Kirchenrecht sowie der Morallehre nicht weiter aufrechterhalten.