16.09.2011
Unblutiges Opfer
Von evangelikaler Seite wird der katholische Standpunkt, die Eucharistie sei ein „unblutiges“ Opfer zur Vergebung der Sünden, gern mit dem Hinweis auf Hebräer 9,22 kritisiert („... ohne dass Blut vergossen wird, gibt es keine Vergebung“). Beim Hören der Wandlungsworte über den Wein („Das ist ... mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird zur Vergebung der Sünden.“) habe ich mich nun schon des Öfteren gefragt, warum das Opfer der Eucharistie überhaupt als „unblutig“ bezeichnet wird, wenn doch dabei der Wein jedes Mal in das wirkliche Blut Christi verwandelt wird.
F. P.
Der historische Opfertod Jesu war blutig: Er wird auf Golgota gekreuzigt und stirbt unter der Folter. Christen glauben, dass sich Christus in diesem Opfer ganz hingibt. In der Eucharistie dauert das einmalige Opfer fort, wie die Liturgiekonstitution des II. Vatikanischen Konzils in Nr. 47 erklärt. Und der neue Jugendkatechismus YouCat erläutert in Nr. 208: So werde „das historische Opfer Jesu am Kreuz (…) während der Wandlung auf verborgene, unblutige Weise Gegenwart“.
Das blutige Opfer wird damit weder wiederholt oder nachgespielt, noch wird es erneuert oder ihm etwas hinzugefügt. Es ist aber die Art und Weise des Opferns, die sich unterscheidet: blutig am Kreuz – unblutig in der Eucharistie; das Opfer selbst und Christus als der Opfernde bleiben dieselben.
Wenn die eucharistischen Gaben – Brot und Wein – in „Leib und Blut“ Christi verwandelt werden, so ist in jedem einzelnen Partikel und in jedem einzelnen Tropfen Christus ganz gegenwärtig. Das „Blut Christi“ ist also nicht vergleichbar mit menschlichem Blut.
Der Hebräerbrief verweist auf die jüdischen Opferriten. Diese waren für die damaligen judenchristlichen Leser des Briefes verständlich. Ein wörtliches Übersetzen solcher Bibelzitate in die heutige Zeit sorgt aber für Missverständnisse.
Die gesamte Sprache und das Denken rund um das religiöse Opfer waren früher verbreitet und verständlich, sind es heute aber oft nicht mehr. Deshalb tun sich viele heute mit solchen Formulierungen schwer.
Michael Kinnen