19.09.2013
Wann gilt eine Region als Diasporagebiet?
Mich interessiert, wann ein bestimmtes Gebiet als Diaspora bezeichnet wird? Wer legt das fest? Was sind die Grenzen? Betrifft dies nur das zahlenmäßige Verhältnis von Katholiken zu evangelischen Christen oder deren Anteil an der Gesamtbevölkerung?
H.-G. W., Bingen
Gute Frage! Manchmal benutzen wir Worte ganz selbstverständlich, ohne uns je um ihre Definition Gedanken gemacht zu haben. So auch hier.
Ursprünglich ist das griechische Wort „Di’aspora“ (deutsch: Verstreutheit) ein biblischer Ausdruck für die Erfahrung der Vertreibung der Juden aus ihrem Stammland, vor allem nach dem Untergang des Reiches Juda im Jahr 586 vor Christus. Typisch für diese Diaspora war ein starker Zusammenschluss der wenigen Juden in einer andersgläubigen Umgebung, zum großen Teil in eigenen Siedlungen oder Ortsteilen mit einem regen religiösen Leben. Zahlenmäßig definiert wurde das damals nicht; Diaspora war lediglich die Erfahrung, fern der eigentlichen Heimat in der Minderheit zu leben.
Seit dem 18. Jahrhundert wird der Begriff Diaspora weiter gefasst: Einerseits sind seitdem alle religiösen oder ethnischen Gruppen gemeint, die ihre Heimat verlassen haben und unter Andersdenkenden in anderen Gegenden leben. Andererseits ist Diaspora nun auch der uns geläufige Begriff für „konfessionelle Minderheit“, der besonders im 20. Jahrhundert durch die zunehmenden Wanderbewegungen der Menschen zugenommen hat.
Das Bonifatiuswerk ist heute zuständig für „die Katholiken in der Diaspora“. Auf Anfrage ist zu erfahren, dass es dort auch keine feste Definition gibt. Laut Satzung wird Diaspora von Fall zu Fall anders definiert. „Geht es zum Beispiel um Bauprojekte, die gefördert werden sollen, dürfen nur weniger als zwölf Prozent Katholiken in der Gegend leben“, so die Pressesprecherin Verena Schäfers. Auch die „Bezugsgröße“ – Stadt, Landkreis, Region, Bundesland – ist nicht festgelegt, sondern frei definierbar. Festgelegt ist hingegen, dass es immer um den Anteil an der Gesamtbevölkerung geht, nicht um den Vergleich zur Zahl der evangelischen Christen.
Susanne Haverkamp