24.10.2013

Warum ist das Buch Maleachi das letzte im Alten Testament?

Die hebräische Bibel endet mit dem Buch Maleachi. Wurde es nie weitergeschrieben? Warum hörte der Kanon damit auf?
W. W., H.

„Und nun, Israel, höre die Gesetze und Rechtsvorschriften, die ich euch zu halten lehre. (... ) Ihr sollt dem Wortlaut dessen, worauf ich euch verpflichte, nichts hinzufügen und nichts davon wegnehmen.“ So spricht Mose zu den Israeliten zu Beginn des 4. Kapitels im Buch Deuteronomium. Wissenschaftler nennen dies eine „Kanonformel“, die bestimmte Texte für unantastbar erklärt, weil man in ihnen göttliche Offenbarung findet. Im Deuteronomium ist damit die Tora – die fünf Bücher Mose – als Herzstück der hebräischen Bibel gemeint. Es ist der Teil der Bibel, von dem man weiß, dass er bereits 300 v. Chr. eine so hohe Autorität besaß, dass sein Wortlaut nahezu unverändert bis heute bewahrt wurde. Für das Judentum ist es der wichtigste Teil der Heiligen Schrift, so wie es die Evangelien für die Bibel der Christen sind.
Zur Tora kamen in den folgenden Jahrhunderten die Prophetenbücher und schließlich der Teil der „Schriften“, wie zum Beispiel Psalmen, das Hohelied und der Prediger Kohelet, „durch die Erkenntnis und Frömmigkeit vermehrt und vervollkommnet werden“, wie es der jüdische Gelehrte Philo um 50 n. Chr. ausdrückte. Lange glaubte man, dass der genaue Bestand der jüdischen Bibel auf einer Art Synode im Jahr 90 n. Chr. in der Stadt Jawne (südlich vom heutigen Tel Aviv in Israel) von rabbinischen Schriftgelehrten festgelegt worden sei. Vor allem seit der Funde der Schriftrollen in Qumran ist dieses Bild jedoch erschüttert: Der Prozess der Vereinheitlichung der Schrift war weit komplizierter. Niemals gab es eine offizielle Festlegung.
Viele Texte galten in den ersten Jahrhunderten n. Chr. als heilig und göttlich geoffenbart und erst in einem lang andauernden Prozess filterte sich durch entsprechenden Gebrauch innerhalb der Glaubensgemeinschaft und Zuschreibung an göttlich inspirierte Verfasser wie Mose, David, Salomo und Jeremia ein Kanon für die Heilige Schrift heraus. In den bewegten Zeiten des 1. und 2. Jahrhunderts n. Chr., in denen der Tempel in Jerusalem zerstört und die letzte Hoffnung auf einen jüdischen Staat durch die Römer vernichtet wurde, gab dieser Kanon dem Volk Israel eine neue Identität.
Christoph Buysch