23.07.2012

Warum ist Matthäus das erste Evangelium?

Wie ist die richtige Reihenfolge der Evangelien? Wie kommt es zu der überlieferten Reihenfolge Matthäus, Markus, Lukas und Johannes, obwohl das Markusevangelium am Anfang stehen müsste?

S.W., Herzogenrath

Die „Kanonfrage“, also die Frage, welche der vielen Schriften aus frühchristlicher Zeit zur Bibel gehören, hat die Kirche jahrhundertelang beschäftigt. Formal abgeschlossen wurde sie 1546, als das Konzil von Trient die Zahl und auch die Reihenfolge der biblischen Schriften für die katholische Kirche festlegte.
Die neutestamentlichen Schriften entstanden nicht zu dem Zweck, einmal in einer „Bibel“ vereinigt zu werden. Es sind „Gelegenheitsschriften“, die verschiedene Autoren zu verschiedenen Gelegenheiten verfassten. Die Evangelien entstanden, um die mündlichen und teils auch schriftlichen Überlieferungen über Jesus zu sichern und für die Christengemeinden fruchtbar zu machen. Jeder Evangelist schrieb deshalb für seine konkrete Gemeinde.

Gesammelt wurden die neutestamentlichen Schriften schon ab dem 2. Jahrhundert. Zunächst waren es die Paulusbriefe, die zusammengeführt wurden. Schon zur Zeit des Irenäus (um 200) waren dann alle vier Evangelien bekannt und anerkannt (im Unterschied zu anderen Evangelien, die aus unterschiedlichen Gründen nicht anerkannt wurden). Schnell wurde auch deutlich, dass Markus, Matthäus und Lukas viele Ähnlichkeiten hatten, während Johannes ein Werk ganz eigener Prägung vorlegte.

Dennoch gab es noch keine feste Reihenfolge. Meist werden die heute sogenannten „Synoptiker“ zusammengehalten, danach folgt Johannes.

Warum aber steht Matthäus voran? Vermutlich deshalb, weil sein Evangelium von Anfang an eine besondere Bedeutung hatte: Es galt als das wichtigste und „erste“ Evangelium. Das mag daran liegen, dass Matthäus mit der „Vorgeschichte“ beginnt, den Vorfahren Jesu. Oder daran, dass man den Apos-tel Matthäus als Verfasser annahm – also einen echten Augenzeugen. Oder dass sein logisch-formaler Stil besonders glaubwürdig war. Auch in den Leseordnungen der Kirche besaß Matthäus jahrhundertelang einen Vorrang. Man hielt es für das älteste und wichtigste Evangelium.

Heute weiß man, dass das Markusevangelium älter ist. An der Reihenfolge ändert sich deshalb aber nichts. Denn erstens geht es in der Bibel nirgendwo chronologisch nach Entstehungsdatum und zweitens hat das Konzil von Trient die damalige Reihenfolge auf immer und ewig dogmatisiert.

Susanne Haverkamp