07.08.2011
Was ist das Herzensgebet?
In einigen Klöstern und Gemeinden werden Seminare oder Einkehrtage zum Herzensgebet angeboten. Was genau ist das?
Hannelore Ridder, 22607 Hamburg
Bekannt wurde das Gebet, dass seit jeher in der Frömmigkeit der orthodoxen Ostkirchen eine herausragende Rolle spielt, hierzulande durch das Buch „Aufrichtige Erzählungen eines russischen Pilgers“. Die Überlieferungen des bis heute unbekannt gebliebenen Pilgers hatte Emmanuel Jungclaussen, der Altabt des Benediktinerklosters Niederaltaich, 1974 erstmals in Deutsche übersetzt.
In der darin geschilder-ten klassischen Gebetsformel wiederholt der Beter immer und immer wieder die Worte „Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme Dich meiner“. Die Anrufung geht zurück auf das Markusevangelium, demzufolge der blinde Bettler Bartimäus Jesus mit ähnlichen Worten angesprochen hat. Im Gegensatz zum marianisch geprägten Rosenkranz steht beim Herzensgebet Christus selbst im Zentrum.
Der Jesuit Franz Jalics, der lange Jahre im oberfränkischen Haus Gries Kontemplationskurse leitete, empfiehlt seinen Schülern einfach nur die beiden Wörter Christus, Jesus ein- und auszuatmen. Durch die permanente, zumeist nur innerlich vollzogene Wiederholung einzelner Worte wird „die Fülle der Gedanken von der strengen Armut eines Verses reduziert“, sagt der langjährige Gebetslehrer Peter Dyckhoff.
Angeblich sollen geübte Beter sogar ihren Herzschlag mit dem Gebetswort synchronisieren können. Da derartige Praktiken aber nicht ganz ungefährlich sind, geht es beim Jesusgebet vor allem darum, „Herz und Verstand ungeteilt Gott hinzuwenden“, so der Jesuit Peter Köster. Ziel des Gebetes ist die Vereinigung der menschlichen Seele mit Gott.
Seine Wurzeln hat das an östliche Mantra-Meditationen erinnernde Gebet in den spirituellen Praktiken der Wüstenväter. Die ersten christlichen Mönche sahen darin einen Weg, der zur „Hesychia“ (griechisch: Ruhe) führt. Pfarrer Dyckhoff spricht daher lieber vom Ruhe- als vom Herzensgebet. Zur Blüte gelangte das Gebet vor allem in Russland sowie in den Klöstern auf der griechischen Halbinsel Athos.
Andreas Kaiser