25.03.2013

Anfrage

Was machten die Menschen mit den Palmzweigen?

Wurden bei Jesu Einzug in Jerusalem Palmzweige gestreut oder mit ihnen gewunken?

J.M., Celle

In den vier Evangelien wird die Frage, wie die Jünger und die Bevölkerung den Einzug Jesu in Jerusalem feierten, unterschiedlich beantwortet. Bei den synoptischen Evangelien Lukas, Markus und Matthäus breiten die Menschen ihre Kleider vor ihm auf dem Weg aus. Bei den beiden letzteren reißen die Leute dazu noch Äste ab und streuen sie auf den Weg. Im Johannes-evangelium dagegen zieht das Volk mit Palmzweigen in den Händen aus der Stadt Jesus entgegen, um ihn zu empfangen.

Auf dem kulturellen Hintergrund erscheinen beide Szenen möglich, sollen doch die Kleider auf dem Weg den so geehrten Jesus vor dem Schmutz der Straße schützen. Ebenso war die Ehrung durch Zweige üblich. Ob damit noch gewunken wurde, ob die Menschen beim Einzug Jesu vielleicht noch sangen, tanzten oder winkten, das berichtet der Text dann nicht mehr. Denn wie viele Bibeltexte ist auch die Palmsonntagsszene nicht als ein historischer Bericht verfasst, der alle Einzelheiten dieses Ereignisses schildert. Er richtet vielmehr das Augenmerk auf die bedeutsamen Details.

In den ersten drei Evangelien sind das zum Beispiel die niedergelegten Kleider und die abgerissenen Äste. Schon in 2 Könige 9,13 kann man lesen, dass die Israeliten die eigenen Kleider einem künftigen König zu Füßen legen. Für die abgerissenen Zweige auf dem Boden findet sich dagegen nur in späteren jüdischen Schriften ein Verweis auf wohlriechende Kräuter, die man mit den Kleidern zusammen auf den Weg streute – beides zur Ehrung eines Königs.

Obwohl in der Sache anders erzählt, sind die Palmzweige im Johannes-evangelium ganz ähnlich zu verstehen. Mindestens seit der Makkabäerzeit waren in Israel Palmzweige das Sinnbild für einen siegreichen Herrscher oder für einen errungenen Sieg (vgl. z.B. 1 Makk 13,51). Alle vier Evangelisten wollen also nicht einfach den Jubel der Menschen beschreiben, sondern lenken die Leser des Textes bewusst auf die Zeichen, in denen Jesus wie ein siegreicher König geehrt wurde.

Roland Juchem