12.07.2012
Was wurde aus Origenes?
Wie und wo wurde die Lehre des Origenes wiederentdeckt, nachdem die katholische Kirche sie verfemt und verhindert hat?
G. P., B.
Origenes war ein einflussreicher christlicher Gelehrter und Schriftsteller. Geboren im Jahr 185 in Alexandria, wirkte er im östlichen Mittelmeerraum und starb 254 an den Folgen der Folter in einer Christenverfolgung. Sein Leben ist beispielhaft für die unruhigen, kontroversen und kreativen ersten drei Jahrhunderte des Christentums.
Man kann nicht sagen, dass die katholische Kirche (im heutigen Sinn als römische) seine Lehre verfemt hat. Zu seiner Zeit war die Kirche konfessionell weitgehend eins. Wohl gab es verschiedene theologische Richtungen und Gruppen sowie politische Interessen der einzelnen Patriarchen und Bischöfe.
Origenes war sehr bildungshungrig und lebte asketisch. Er reiste unter anderem nach Rom, Petra (Arabien) und Cäsarea (Palästina) und spezialisierte sich auf Bibelauslegung. Obwohl anfangs nicht ordiniert, war er ein gefragter Theologe und Prediger. Als Origenes sich 230 in Cäsarea zum Presbyter (Priester) ordinieren ließ, war sein Bischof Demetrius von Alexandrien so erbost, dass er ihm die Lehrerlaubnis entzog und seine Weihe für ungültig erklären ließ. Darauf floh Origenes und ging dauerhaft nach Cäsarea.
Die unterschiedlichen theologischen Auffassungen über Jesus Christus, die Kirche und die Bibel – damals war die kirchliche Lehre längst noch nicht so festgelegt – mischten sich mit politischen Auseinandersetzungen und Eifersüchteleien zwischen Klerikern.
Während Origenes einerseits in etlichen theologischen Streitfällen vermitteln konnte, wurde er andererseits selbst als Häretiker verdächtigt und musste sich etwa gegenüber Bischof Fabianus von Rom (236–250) rechtfertigen. Origenes soll etwa 6000 Schriften verfasst haben. So versuchte er unter anderem, das Christentum als eine universale Theorie der Welt und Geschichte zu deuten; er systematisierte biblische Schriften und vertrat mitunter eigenwillige Ansichten. Seine Theologie war zwar mehr oder weniger umstritten, er wurde aber nie offiziell als Häretiker verurteilt. Der Streit um ihn und seine Theologie ging noch lange weiter, oft mit einseitigen oder fehlerhaften Interpretationen seiner Schriften. Einige davon wurden 553 von einem Lokalkonzil in Konstantinopel verurteilt. Da die heutige Forschung die damaligen Debatten besser nachzeichnen kann – auch wegen neuer Funde antiker Schriften – beurteilen ihn Historiker heute differenzierter.
Roland Juchem