29.08.2012

Werden wir zweimal von der Erbsünde befreit? Warum?

Wenn Christus uns Menschen durch seinen Tod am Kreuz erlöst hat, d.h. von der Erbsünde befreit, warum befreit die Taufe den Menschen (in der Regel: das Kleinkind) dann noch einmal von der Erbsünde?

G.S., Bruchköbel

Ein Sakrament wie die Taufe vergegenwärtigt in einem sichtbaren Zeichen etwas, das wirklich ist, das wir aber nicht sehen können. In Anlehnung an den Römerbrief (6,3–5) werden die Täuflinge „mit Christus begraben in seinem Tod und mit ihm auferstehen“. Taufe und Erlösungsopfer Christi am Kreuz gehören hier also dicht zusammen.

Die Erlösungstat Christi wird dabei nicht einfach wiederholt, sondern für den Täufling vergegenwärtigt. Er kommt damit in eine untrennbare Beziehung zu Christus. Das wird auch in der Vergebung der „Erbsünde“ deutlich: Die „Erbsünde“ ist keine Sünde, die willentlich begangen wird, sondern das, was uns als Mangel, als Bedürftigkeit, ohne eigenes Verschulden mitgegeben ist.

Diese Weitergabe aufgrund der menschlichen Natur ist ein Geheimnis, das wir nicht völlig verstehen können. Gott hat aber für diese grundlegende Bedürftigkeit des Menschen eine Antwort: In seinem Sohn hat er das Schicksal der Menschen in aller Konsequenz geteilt – bis zum Tod am Kreuz. Er ist dabei nicht im Tod geblieben, sondern auferstanden. So ist das Kreuz für die Christen zum Zeichen der Erlösung geworden, weil Gott Mensch geworden ist und das menschlichste Schicksal, den Tod, besiegt hat.

Die Befreiung von der Erbsünde bedeutet dabei nicht, dass der Mensch nicht mehr sündigen kann. Er bleibt gerade in voller Freiheit auch dazu fähig, sich von Gott loszusagen und willentlich zu sündigen. Deshalb bleibt er auch immer angewiesen auf die Gnade Gottes.

Aber durch die Erlösungstat Christi, durch seinen Tod am Kreuz, ist der Mensch seinem Schicksal nicht hilflos ausgeliefert. Mit der Taufe wird der Täufling in die Gemeinschaft der Kirche aufgenommen, die dabei helfen soll, dem Anspruch eines erlösten „Kindes Gottes“ besser gerecht zu werden.

Michael Kinnen