31.07.2012

Wie ist das mit der Beschneidung bei Juden, Muslimen und Christen?

Was ist der Sinn der Beschneidung bei Juden und Muslimen? Warum hat das Christentum sie nicht übernommen? Und hat Mohammed sie im 7. Jahrhundert angeordnet oder auch übernommen?
A. B., J.

Die Beschneidung der männlichen Vorhaut ist ein jahrtausendealtes Ritual, das in vielen Kulturen in Asien, Australien, Afrika und Europa geübt wurde, meist zum Eintritt ins Mannesalter. Bis heute ist es der wohl am häufigsten durchgeführte körperliche Eingriff. Für jüdische Menschen ist sie quasi der Inbegriff dessen, was es heißt ein Jude zu sein. Darin sind sich ultraorthodoxe wie liberale Juden weitgehend einig.
Mit der Beschneidung wird der Körper quasi zur Urkunde des Bundes, den Gott mit Abraham geschlossen hat: „Am Fleisch eurer Vorhaut müsst ihr euch beschneiden lassen. Das soll geschehen zum Zeichen des Bundes zwischen mir und euch. Alle männlichen Kinder bei euch müssen, sobald sie acht Tage alt sind, beschnitten werden in jeder eurer Generationen …“, heißt es in Genesis 17,11f. Daher waren auch Jesus und seine jüdischen Jünger beschnitten; der Evangelist Lukas berichtet eigens davon (2,21).
Anders als bei den Juden galt die Beschneidung bei den Griechen als Selbstverstümmelung. Das wurde zum ernsten Problem, als Paulus und andere Apostel begannen, nichtjüdische Menschen vom Evangelium zu überzeugen. Selbstverstümmelung oder heiliges Bundeszeichen? Die Debatte unter den ersten Christen muss damals noch heftiger gewesen sein, als sie derzeit in einigen Leserbriefspalten tobt. Nach langer Diskussion entschied das Apostelkonzil in Jerusalem (Ende der 40er Jahre), dass Nichtjuden, die Christen werden wollen, sich nicht beschneiden lassen müssen. Für die Trennung des Christentums vom Judentum war das ein entscheidender Schritt.
Im Koran steht nichts über die Beschneidung. Mohammed und seine Anhänger kannten sie aber, weil es sie in Arabien auch bei Nichtjuden gab. Daher wurde sie als Ritual beibehalten, wird aber weniger religiös aufgefasst. Anders als Juden beschneiden Muslime – und andere Kulturen – im späteren Kindesalter, quasi vor dem Eintritt ins Mannesalter.
Roland Juchem