17.04.2013

Anfrage

Wie lang darf eine gute Predigt sein?

Gibt es Richtlinien dazu, dass eine gute Predigt eine gewisse Zeitspanne nicht überschreiten soll?

A. G., Köln

Auf die Frage wird gemeinhin geantwortet: „Eine gute Predigt ist so lang wie eine Zigarette – sieben Minuten.“ Oder auch: „Man darf über alles predigen – nur nicht über zehn Minuten.“ Allein an diesen Sprüchen sehen Sie, dass Predigtlänge relativ ist. Vielen ist eine nichtssagende Ansprache schon nach fünf Minuten zu lang; andere können einer guten Predigt auch 30 Minuten lang aufmerksam zuhören. Eine lebendig und frei vorgetragene Ansprache wirkt kurzweiliger als ein tonlos abgelesener Text.

Zudem kommt es auf die Art des Gottesdienstes an: Bei einer Andacht oder in einem Werktagsgottesdienst sind kürzere Ansprachen sicher angemessener als bei einer eigens angesetzten Fas­tenpredigt. In einer normalen sonntäglichen Eucharistiefeier wird die Predigt in der Regel zwischen sieben und 15 Minuten dauern. Aber wie gesagt: Begründete Ausnahmen nach oben oder unten muss es geben können. In den liturgischen Büchern der katholischen Kirche wird zur Predigtdauer nichts gesagt; nur dass die Auslegung der Heiligen Schrift „lebendig“ sein soll. In evangelischen Gottesdiensten sind Predigten meist länger: zwischen 15 und 35 Minuten. Früher, vor unserer schnelllebigen Zeit, wurde oft deutlich länger gepredigt. In alten reformierten Kirchen gibt es Stundengläser, die ein Gemeindemitglied schon mal umdrehte, wenn der Prediger nach 60 Minuten immer noch nicht geendet hatte.

Aber auch katholische Prediger haben noch bis in die 1950er Jahre deutlich länger ausgeholt. Heute gibt es sogar Miniprogramme („Apps“) fürs Handy, die, aufs Pult gelegt, an geplante Redezeiten erinnern und optische Hinweise geben: grün, gelb, rot. Die beste Predigtuhr sind aber die Signale der Hörer wie Husten, Räuspern, Bänkeknarren.

Und wenn Ihnen Predigten zu lang vorkommen? Warum nicht mal nach dem Gottesdienst hingehen zum Prediger, ihm sagen, was gefallen hat, und ergänzen, dass er an dieser oder jener Stelle gut hätte enden können. Für Sie als Zuhörer wäre die Ansprache auch so rund gewesen.
Roland Juchem