18.06.2013

Anfrage

Wie standen Herodes und Pilatus zueinander?

Im Lukasevangelium (23,12) heißt es, dass Herodes (Antipas) und Pilatus nach der Verspottung Jesu Freunde wurden und vorher Feinde waren. Warum ist das so? Was weiß man dazu?
I. S., Lübeck 

Die Feindschaft zwischen Herodes Antipas und Pilatus ist zunächst politischer Art. Dazu muss man wissen, wie zur Zeit Jesu das Land regiert wurde, und das war kompliziert: Zum einen gab es den „König der Juden“, und den stellte nach vielen Kämpfen das Haus der Herodianer, dessen Oberhaupt Herodes I. war. Er regierte von 37 bis 4 vor Christus. Nach dem Tod des Herodes kam es zu Erbschaftsstreitigkeiten zwischen seinen sieben Söhnen (er führte zehn Ehen!). Wieder wurde gemordet und schließleich entschied Rom den Streit: drei Söhne (Philippus, Herodes Antipas und Archelaus) erbten jeweils einen Teil des Landes – allerdings als Tetrarchen, also „Teilherrscher“, und nicht ausgezeichnet mit der Königswürde. Herodes Antipas wurde Tetrarch von Galiläa und Peräa – und damit Landesherr über das Gebiet, aus dem Jesus stammt, allerdings ein recht machtloser Landesherr.

Zum anderen gab es den Prokurator, den Chef der römischen Verwaltung, von 26-36 nach Christus war das Pontius Pilatus. Der Prokurator war militärisch oberster Befehlshaber über die römischen Truppen, er war Richter bei Todesurteilen und vor allem war er oberster Steuereintreiber für Rom. Damit war er alles, was die jüdischen Tetrarchen eigentlich hätten sein wollen und deshalb ihr natürlicher Feind!

Ob Herodes Antipas und Pilatus über die politische Feindschaft hinaus eine persönliche Feindschaft verband, ist nicht bekannt. Sicher ist, dass Pontius Pilatus, der vierte Prokurator in der Amtszeit des Herodes, der wohl „römischste“ war, also der, der von Anfang an römische Macht demonstrierte und keine Rücksicht nahm auf den Glauben der Juden. Dass die beiden Feinde waren, ist deshalb wesentlich wahrscheinlicher als die Aussage, dass sie durch diese kurze Episode Freunde wurden. Im Übrigen kennt ausschließlich Lukas diesen Abschnitt der Leidensgeschichte. Daher streiten die Bibelwissenschaftler darüber, ob er historisch oder eher theologisch gemeint ist. Einerseits ist die Szene durchaus denkbar und wird in der Apostelgeschichte (die allerdings auch von Lukas ist) bestätigt (Apg 4,27). 

Susanne Haverkamp