15.02.2012
Woher kommt die Redewendung „Jemanden ins Gebet nehmen“?
Findet sich die Redewendung „Jemanden ins Gebet nehmen“ schon in der Bibel und woher kommt sie? S.L., Heidelberg
Wie so oft, fällt es auch bei dieser Redewendung schwer, genau zu klären, wann und wie sie entstanden ist. Zunächst muss man unterscheiden zwischen der Formulierung „Jemanden mit ins Gebet nehmen“, was genau so viel heißt, wie: Ich bete für dich, ich schließe dich in meine Fürbitte bei Gott mit ein, und der Redewendung „Jemanden ins Gebet nehmen“. Mit letzterer ist bekanntlich gemeint, dass eine Person zurechtgewiesen und ihr ins Gewissen geredet wird. Warum? Weil sie etwas angestellt oder sich falsch verhalten hat
Drei Erklärungen über den Ursprung dieser tadelnden Redewendung werden immer wieder angeführt. Alle drei sind dabei doch recht unterschiedlich. Die erste – wohl sehr wahrscheinliche – Theorie geht davon aus, dass die Redewendung ihre Herkunft in der katholischen Praxis des Bußsakramentes hat. Der Beichtvater nimmt den reuigen Sünder in sein Gebet mit auf und gibt ihm gleichzeitig als Bußwerk ein entsprechendes Gebet mit auf den Weg.
Eine andere Erklärung wäre der mittelalterliche Brauch, in das Gebet den Tadel für Verfehlungen einzuschließen. Nicht religionsgeschichtlich, sondern sprachwissenschaftlich nähert sich eine andere Theorie. Sie leitet die Redewendung von dem alten plattdeutschen Begriff „Gebett“ ab, bei dem im Laufe der Jahrhunderte das zweite „T“ abhandengekommen sein soll. Mit „Gebett“, auch ein anderes Wort für Gebiss, bezeichnete man die Gebissstange, mit denen die Pferde geleitet und im Zaum gehalten wurden. Das wäre dann der Redewendung „Jemanden an die Kandare nehmen“ sehr ähnlich. Denn auch die Kandare bezeichnet ja die Gebissstange bei Pferden.
In der Bibel findet sich übrigens keine entsprechende Stelle, bei der diese Formulierung verwendet wird.
Daniel Gerber