18.05.2016
Anfrage
Wozu braucht man heute noch Domkapitel?
Wozu braucht es heute noch ein Domkapitel? Ist das nicht ein Relikt aus alten Zeiten? S. M., Cottbus
Die Aufgabe eines Domkapitels ist vor allem die Feier der Gottesdienste und die Seelsorge an einer Kathedrale. In Deutschland sind sie außerdem an der Ernennung beziehungsweise an der Wahl des Bischofs beteiligt.
Solche Klerikerkollegien, die unterschiedlich groß sein können, sind bereits im 6. und 7. Jahrhundert in der westfränkischen und westgotischen Kirche entstanden und haben eine wechselvolle Geschichte. Die nichtkatholischen Ostkirchen kennen diese Einrichtung so nicht.
Besonders im Mittelalter haben Domkapitel wichtige politische Einflüsse gewonnen, als zur Seelsorge eigene Besitztümer kamen. Die Besetzung erfolgte meist durch Adelsfamilien mit eigenen Interessen. Dadurch trat zeitweise auch die geistliche Aufgabe in den Hintergrund. Durch die Säkularisierung wurde dies eher unfreiwillig zurückgeführt.
Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–65) wird der Bischof vor allem vom Priesterrat beraten. Das Kirchenrecht sieht auch vor, dass Domkapitel an einer Bistumssynode teilnehmen. In Deutschland ist die Praxis der Domkapitel heute – neben kirchenrechtlichen Bestimmungen – vor allem durch Konkordate geregelt. Auflösung und Änderungen von Domkapiteln stehen dem Heiligen Stuhl zu.
Die Domkapitel geben sich im Rahmen der rechtlichen Vorgaben selbst eine Satzung, in der Verfahrenswege und Aufgaben einzelner Mitglieder beschrieben sind. In den meisten Bistümern Deutschlands haben die Mitglieder des Domkapitels heute die Aufgabe der Bischofswahl aus einer Dreierliste, die der Vatikan erstellt, oder sie sind an der Erstellung der Liste beteiligt, aus der der Papst einen Diözesanbischof ernennt.
In den allermeisten Diözesen der Welt – mit Ausnahme der Schweiz, die eigene Regelungen kennt – ernennt der Papst aber ohne vorhergehende Wahl des Domkapitels einen neuen Bischof.
Von Michael Kinnen