02.04.2013

Internetseite verspricht Opfern von TV-Castingshows Rat und Tat

Zwischen Geltungssucht und Selbstzerstörung

Die Liste der Vorwürfe gegen Castingshows ist lang. Von seelischer Vergewaltigung ist die Rede, viele Teilnehmer würden der Lächerlichkeit preisgegeben. Und trotzdem werden die Sendungen geschaut. Vor kurzem hat der österreichische Autor Fabian Burstein eine Plattform für jugendliche Opfer von Castingshows ins Internet gestellt.

Am Anfang steht die Suche oder gar Sucht nach Aufmerksamkeit. „Castingshows haben für Menschen, die in einem Wunschtraum von Berühmtheit schwelgen, eine ungemeine Anziehungskraft. Sie fliegen wie Motten zum gesuchten Licht, an dem sie auch verbrennen können", sagt Gerichtspsychiaterin Sigrun Roßmanith. Tatsächlich machen sich heute viele Jugendliche abhängig von Lob und Kritik von mehr oder weniger fragwürdigen Juroren. Vor allem dann, wenn die äußere Bestätigung für den eigenen (labilen) Selbstwert benötigt wird, ist die Gefahr hoch, dass negative Kritik vernichtend erlebt und gefühlte Wertlosigkeit die Folge ist, so Roßmanith weiter.

Buchautor im Kampf gegen öffentliche Bloßstellung

Fabian Burstein engagiert sich gegen
"menschenverachtende Lästereien".

Für Menschen, die den dämlichen bis zuweilen menschenverachtenden Lästereien eines Dieter Bohlen beispielsweise nicht gewachsen sind, hat Fabian Burstein, der Autor des Buches „Träum weiter“, vor kurzem eine sogenannte Castingshow Gewerkschaft gegründet. Der Mann aus Wien will damit allen „Jugendlichen Rat und Halt geben, die wegen ihres Antritts bei einer Castingshow mit Erniedrigung, Scham, öffentlicher Bloßstellung, zerplatzten Träumen und Perspektivenlosigkeit zu kämpfen haben“, so der Autor. Auch wenn der Name „Gewerkschaft“ zweifelsfrei etwas dick aufgetragen ist, so bietet Bursteins gleichnamige Webseite doch immerhin eine gute Übersicht zu etlichen Pressemeldungen und Büchern zum Thema. Neben der Psychologin Roßmanith kommt auch der Suchttherapeut Kurosch Yazdi zu Wort. In einem speziellen Forum können Betroffene ihre eigene Geschichte erzählen und sich mit anderen Leidensgenossen austauschen. Zudem bietet das Portal eine Übersicht von Beratungsstellen. Die meisten dieser Einrichtungen sind allerdings eher allgemeine Anlaufplätze für Jugendliche mit psychischen Problemen. Wer daher bei seiner Recherche nach Rat nicht so recht weiterkommt, kann dem Initiator der Webseite eine Mail schicken. Burstein verspricht individuelle Hilfe.

Keiner ist allein!

Klartext: Screenshot der Startseite

„Zehn Jahre Castingshow-Hype haben Tausende von jungen Menschen hervorgebracht, die auf unterschiedlichste Weise von den Produzenten und Juroren geschädigt worden sind und sich wegen sittenwidriger Knebelverträge nicht wehren können“, so Burstein. Er möchte mit seiner Webseite Betroffenen klarmachen, dass sie mit ihren Problemen nicht alleine sind und zudem die Öffentlichkeit für das Problem sensibilisieren.

In manchen seiner Äußerungen über die Machenschaften der sicherlich fragwürdigen Branche, die ja noch immer stetig neue Blüten und Sendungen treibt, schießt Burstein allerdings deutlich über das an sich gute Ziel hinaus. So vergleicht er die Trainingsmaßnahmen so mancher Sow schon mal mit „Folter“, und setzt einige Juroren gar mit „Scharfrichtern“ gleich. Er konstatiert, in der Branche habe zuletzt „eine Brutalisierung" stattgefunden. „Im Laufe des letzten Jahrzehnts haben Castingshows Tausende von frustrierten Jungmusikern ausgespuckt, die entweder schon in Castings an der Grausamkeit der Juroren gescheitert sind oder aber im Laufe der Shows ausgenutzt, desillusioniert und im Stich gelassen wurden. Es ist höchste Zeit, dass man diesen Menschen bei ihrer Neuorientierung hilft.“ Dem letzten Satz wiederum ist kaum etwas hinzuzufügen.

Ihr Webreporter Andreas Kaiser