20.03.2017
Mehr als eine Kriminellen-Hochburg
Das Darknet kommt aus den Negativschlagzeilen einfach nicht heraus. Hier werden Drogen und Waffen gehandelt. Doch darüber hinaus ist der anonyme Untergrund des Internets auch Rückzugsraum von Menschenrechtler, Oppositionellen, Journalisten sowie von christlichen Aktivisten, die etwa in Syrien gegen das Terrorregime vom IS kämpfen.
Über kaum einen „Ort“ im Netz geistern so viele Gerüchte und Mythen durch die virtuelle Welt wie über das Darknet. Hier, in den anonymisierten Untiefen des Internets, hat sich der Amokläufer von München seine Waffe beschafft. Es werden Drogen gehandelt, angeblich sogar – wie uns jüngst ein ARD-Tatort weismachen wollte, Auftragskiller vermittelt. Doch all diese Abgründe sind nur ein Seite der Medaille. Abseits dieser kriminellen Machenschaften ist das Darknet für viele Oppositionelle – egal ob in der Türkei, in Saudi Arabien, dem Iran oder in China – eine Art Überlebensversicherung. Über die dort permanent verschlüsselten Kommunikationskanäle haben sich auch die christlichen Milizen, die in Syrien gegen das Terrorregime des Islamischen Staates kämpfen, schon vernetzt.
Ein Netz ohne Zensur und Überwachung, mit all seinen Vor- und Nachteilen
Screenshot der Webseite www.torproject.org/
Ins Darknet zu kommen, ist dank einer recht intelligenten Software, heutzutage längst kein Hexenwerk mehr. Alles was man dazu braucht, ist der sogenannte Tor-Browser. Die Macher der Anonymisierungssoftware wehren sich seit Jahr und Tag dagegen, dass man ihr Tool unter Strafe stellt. In der RTL2-Doku „Echtzeit“ vergleichen sie ein mögliches Darknet-Verbot mit einer Abschaffung von Straßen und Autobahnen, weil schließlich auch diese von Verbrechern genutzt würden. Das ist zwar reichlich überspitzt formuliert. Doch es steckt auch viel Wahres in der These. Hauptanliegen der Tor-Macher ist es, die Privatsphäre der einzelnen Internetz-Nutzer so effektiv wie möglich vor der immer aggressiveren Datensammelwut großer Firmen und autoritärer Staaten zu schützen.
Gegenüber dem Internetmagazin netzpolitik.org kritisierte die deutsche Informatikerin Constanze Kurz bereits vor geraumer Zeit die oft nur einseitige Sicht der Medien auf das Darknet. Ihrer Darstellung zufolge würden „verschlüsselte Netzwerke von Journalisten, von Menschenrechtsorganisationen, von Whistleblowern (wie zum Beispiel Edward Snowden) gleichermaßen verwendet. In eine ähnliche Kerbe schlägt auch der Sprecher vom Chaos Computer Club, Linus Neumann: „Das Darknet ist das Internet, wie man es sich eigentlich wünschen würde. Ein Netz ohne Zensur und Überwachung, mit all seinen Vor- und Nachteilen“. Nach Ansicht von Christian Mihr von der Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen, habe jeder Mensch das Recht auf eine „anonyme Kommunikation“. Eine Gleichsetzung von Darknet und Kriminalität nannte Mihr brandgefährlich.
Alles ist verschlüsselt

Screenshot der ARD-Dokumentation "Das Darknet – Eine Reise in die digitale Unterwelt"
Der größte Unterschied vom Darknet zum herkömmlichen Internet, ist die grundsätzliche Verschlüsselung sämtlichen Datenverkehrs. Ein Mitschnitt von Nutzeraktivitäten – wie das sonst im Internet über sogenannte Cookies; Session-IDs oder das Erfassen von IP-Adressen möglich ist - wird im Darknet schon aufgrund seiner dezentralen Beschaffenheit unterbunden: Von Unternehmen oder Behörden genutzte, zentral verwaltete Server zur Speicherung von Inhalten existieren hier nicht. Auch können die im Darknet gehosteten Webseiten von gängigen Suchmaschinen wie Google nicht aufgefunden werden. Das Darknet existiert nur, weil hier alle Nutzer untereinander ein sich permanent selbst neu erschaffendes Netzwerk bilden, in dem jeder Teilnehmer – parallel zu einer eigenen Aktivität im Netz - immer auch Verteiler für die Datenpakete anderer Nutzer ist. Ein Datenpaket wird im Darknet nie direkt an den Empfänger gesendet, sondern passiert immer mehrere Knotenpunkte, die das Datenhäppchen zusätzlich verschlüsseln. Einzelne Informationen lassen sich daher kaum oder gar nicht mehr zu seinem Absender zurückverfolgen. Eine relativ brauchbare Doku über das Darknet hat vor einiger Zeit die ARD mal ausgestrahlt.
Ihr Webreporter Andreas Kaiser