01.02.2012
Was heißt „eingeborener Sohn“?
Im Credo heißt es: „Ich glaube an Gott, den Vater … und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn.“ Was aber bedeutet die Formulierung „seinen eingeborenen Sohn“?
A. K., Pinneberg
Wer das Glaubensbekenntnis (Credo) jahrzehntelang gesprochen hat, mag sich darüber kaum mehr Gedanken gemacht haben. Für einige Ohren aber klingt die Formulierung „seinen eingeborenen Sohn“ tatsächlich befremdlich. Sie bedeutet letztlich „seinen einzigen Sohn“.
Außerhalb des christlichen Credos wird „eingeboren“ meist gebraucht als etwas abschätzige Bezeichnung für Menschen, deren Vorfahren schon in einem Land, auf einem Kontinent lebten, bevor spätere Siedler dorthin kamen. Heute wird vielfach der Begriff „Indigene“ verwendet; das ist ein Fremdwort für „Eingeborene“ und klingt respektvoller.
Das aber ist nicht gemeint, wenn im Credo von „Gottes eingeborenem Sohn“ die Rede ist. Im sogenannten Großen (Nicäno-Konstaninopolitanischen) Glaubensbekenntnis lautet der vollständige Satz: „Wir glauben … an den einen Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, aus dem Vater geboren vor aller Zeit“.
In den deutschen Übersetzungen beider Credos heißt es „eingeborenen Sohn“. In der lateinischen Fassung des kürzeren Apostolischen Bekenntnisses heißt es „filium eius unicum“ (seinen einzigen Sohn), im Großen Credo aber „filium Dei unigenitum“ (Gottes eingeborenen – oder einzig geborenen – Sohn). Das ist die wörtliche Übersetzung des griechischen Originals: „ton hyòn tou Theou ton monogené“ (den Sohn Gottes, den einziggeborenen).
Die deutsche Wendung „eingeborener Sohn“ ist eine veraltete Übersetzung des griechischen Ausdrucks durch Martin Luther. Nahezu alle Sprachen übersetzen „monogené/unigenitum“ mit „einzig geboren“ und „unicum“ mit „einzig“. Englisch: „the only-begotten Son of God/his only Son“, französisch: „le Fils unique de Dieu/son Fils unique“, italienisch: „unigenito Figlio di Dio/suo unico Filgio“, niederländisch: „eniggeboren Zoon van God/zijn enige Zoon“.
Roland Juchem