31.10.2013
Kommentar
Höchste Zeit zu handeln
Von Andreas Kaiser
Seit Jahren wissen wir um die Missstände in der Pflege. Für viele der 2,5 Millionen Pflegebedürftigen gehören Vereinsamung und Verwahrlosung schon heute zum Alltag. Und die Probleme werden täglich größer. Fachkräfte fehlen nicht nur. Nein: Sie werden zumeist auch skandalös schlecht bezahlt.
Zwar hat all dies längst auch die Politik erkannt. So kündigte Ex-Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) bereits bei seinem Amtsantritt eine umfassende Reform an und rief 2011 großspurig zum „Jahr der Pflege“ aus. Doch als es dann so weit war, wechselte er lieber ins lukrativere Wirtschaftsressort und überließ das Problem seinem Nachfolger Daniel Bahr. Dieser wiederum stellte Mitte 2012 zwar die Demenzkranken minimal besser. Die von den Verbänden seit Jahren angemahnte Neuordnung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs aber unterließ er. Vor allem die von Bahr ins Leben gerufene Förderung privater Zusatzversicherungen erwies sich schnell als falsch.
Erstens können sich angesichts von Niedriglöhnen längst nicht alle Deutschen eine private Vorsorge leisten. Zweitens ist es mit Blick auf die Erfahrungen der Finanzkrise geradezu grotesk, das Lebensrisiko Pflegebedürftigkeit den Unwägbarkeiten des Finanzmarktes auszusetzen. Bereits die Riester-Rente hat gezeigt, dass weite Teile der staatlichen Fördergelder eher bei der Versicherungswirtschaft landen, als dass sie beim Bürger ankommen.
„Murks“ ist auch die von Familienministerin Kristina Schröder erdachte Familienpflegezeit, wonach Angestellte beruflich eine Weile kürzertreten können, um Angehörige zu pflegen. Zum einen ist die auf zwei Jahre befristete Pflegezeit für die meisten Fälle viel zu kurz. Zum anderen gibt es keinen Rechtsanspruch auf die Regelung. Dass Schröders Gesetz ein Flop ist, zeigen die Zahlen. In anderthalb Jahren gingen beim zuständigen Ministerium bisher gerade einmal 170 Anträge ein.
Tatsache ist: Um die Pflege zukunftsfest zu machen, werden wir alle mehr Geld in die Hand nehmen müssen. Es ist, das haben SPD und Caritas richtig er-kannt, höchste Zeit zu handeln. Vor allem aber ist menschenwürdige Pflege eine Solidaraufgabe. Sie darf nicht Luxus für Besser-verdienende werden. Auch daher ist die neue Regierung gefordert.