25.07.2014
Was besagte das fünfte Gebot ursprünglich?
Wie ist die Ursprungsübersetzung des fünften Gebotes „Du sollst nicht töten“? Damit wäre ja auch eine Fliege gemeint. Oder bedeutet es im engeren Sinn „Du sollst nicht morden“? Mord setzt juristisch gesehen niedere Beweggründe und andere Bedingungen voraus. J. A., Görlitz
Als weithin geläufiges Zitat lautet das fünfte der Zehn Gebot in der Tat: „Du sollst nicht töten!“. Doch schon in der Einheitsübersetzung heißt es: „Du sollst nicht morden“ (Exodus 20,13; Deuteronomium 5,17). Martin Luther, dessen Übersetzung viele deutschsprachige Bibelworte geprägt hat, hatte übersetzt: „Du solt nicht toedten“; in der weltweit prägenden King-James-Bibel heißt es „Thou shalt not kill“.
Im hebräischen Originaltext steht nur knapp „lo thirzach“. Das entsprechende hebräische Verb „rezach“ bezeichnet eine Handlung gegen einen Mitmenschen, die dessen Tod zur Folge hat. Wortwörtlich also: „Nicht töte!“ Allerdings wird „rezach“ im gesamten Alten Testament weder gebraucht für das Töten aus Notwehr oder im Krieg, noch für das Töten von Angehörigen fremder Völker im Zusammenhang des Banns, noch wird es verwendet, wenn Gott handelt oder Tiere getötet werden – egal ob Rinder oder Fliegen.
Um also zu wissen, was genauerhin in Exodus 20,13 gemeint ist, muss man auf den Kontext achten: Gott spricht die Mitglieder des Volkes Israel an, wie sie sich jeweils gegenüber ihrem Nächsten (das heißt dem Volksgenossen) verhalten sollen. An anderen Stellen, an denen dasselbe Wort verwendet wird, geht es um hinterlistige Täter oder wehrlose Opfer.
Zusammen genommen bedeutet das: Der Israelit soll seinen Volksgenossen nicht in sittlich verwerflicher Weise töten. Das legt dann die Übersetzung nahe: Du sollst nicht morden – besser: „nicht töten ohne hinreichenden Grund“.
So weit zur Übersetzung der entsprechenden Bibelstelle. Doch davon allein hängt nicht ab, was das „fünfte Gebot“ heute überhaupt besagt. Schon in der Bibel gibt es eine Entwicklung in der Frage, wann Töten gerechtfertigt ist. Sie geht weiter – bis heute, wie es die Debatte um die Todesstrafe zeigt.
Von Roland Juchem