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23.09.2014

Kommentar

Die noch größere Seuche

Von Roland Juchem

Nun überlegt auch die deutsche Regierung, Soldaten nach Westafrika zu entsenden: Militär im Kampf gegen ein Virus – das ist die ganz große Keule. Wenn, wie in Liberia, bald ein ganzer Staat nicht mehr in der Lage ist, Grundfunktionen aufrechtzuerhalten, sind außergewöhnliche Maßnahmen notwendig. Es braucht Transport, Medikamente, Betten, Gerät, Isolierstationen, Schutzanzüge, Lebensmittel – und Polizei. Leere Märkte, Ausgangssperren, Hunger, Flüchtlinge und tödliche Angriffe auf Ärzte und Helfer sind eine explosive Mischung, zumal in Staaten, deren Gesellschaften nach Bürgerkriegen noch extrem fragil sind. Angeheizt wird diese Stimmung durch die Skepsis in der Bevölkerung, ob Ebola nicht doch ein makabres Szenario ist für ganz andere Zwecke. Daher muss ausländisches Engagement, so notwendig es ist, äußerst vorsichtig geschehen. Zu leicht könnte die große Keule zurückschwingen.

Was die Menschen vor allem brauchen, ist Vertrauen, Information und eine medizinische Infrastruktur gerade auf dem Lande. Auch dafür brauchen sie Hilfe, auch wenn sie es selbst umsetzen müssen – mit Partnern, die sie gut kennen. Wie etwa den Kirchen und ihren Hilfswerken.
Bislang gibt es weder Impfstoff noch Heilmittel gegen das Ebolavirus. Die Gründe dafür spiegeln – wieder einmal – die Attitüde des Nordens gegenüber dem Süden wider: zu selten, zu weit weg, zu teuer. Wer geforscht hat, tat dies oft auch mit Geldern des US-Verteidigungsministeriums, denn das Ebolavirus gilt als potenzieller biologischer Kampfstoff. Nun wird offener und intensiver geforscht, zwei mögliche Impfstoffe kristallieren sich heraus. Für die aktuelle Epidemie kommen sie aber zu spät. Horrorszenarien machen die Runde wie Warnungen, Prognosen seien zu unsicher.

Käme das Virus nach Europa, wären die Folgen nicht so schlimm. Hier gibt es ein Gesundheitssystem, in dem Infizierte isoliert, Kranke behandelt werden und die Bevölkerung angemessen informiert wird. Die Menschen in Westafrika tun im Moment, was ihnen möglich ist: Straßenzüge werden plakatiert, es gibt Aufklärungsdemos, Aktivisten verteilen Broschüren und viele Helfer arbeiten bis zum Umfallen – oder bis zum eigenen Tod.

Doch die größere Seuche, die das Virus so viel verheerender macht, ist wie immer die Armut. Wenn nun Soldaten ausrücken, um Ebola zu bekämpfen, ist erneut daran zu erinnern: Früher und viel besser bekämpft man Epidemien mit Schulbildung, gerechten Handelsbeziehungen und guten Regierungen, die ein grundlegendes Gesundheitssys-tem aufbauen für alle Menschen

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