20.03.2013
"Halt wie ein Arbeitsferienlager"
Vergessen Sie teure „Fairtrade-Schokolade“, „Gepa-Kaffee“ oder regionale Öko-Eier. Volle Transparenz mit fairen Preisen bietet vor allem „Agraprofit“. Ein Youtube-Video zeigt eine bittere Realsatire auf die Schnäppchenmentalität bei Lebensmitteln.
![]() |
Ausschnitt aus dem Video |
Auf dem Schild des Marktstandes steht: „Kinderarbeit? - Dann sind sie wenigstens weg von der Straße!“ Und der smarte Verkäufer mit der schwarzen Hornbrille und dem Sakko sagt: „Wir möchten halt faire Preise garantieren.“ 39 Cent kostet die Tafel Schokolade von „Ivory Choc“ mit dem schönen weißen Design und den verschiedenen Kakaobohnen darauf. „Wie, die ganze Tafel?“, fragt die Kundin, reißt die Augen auf. „Ja, genau. Das ist dadurch möglich, dass die da vor Ort sehr, sehr bescheiden sind“, sagt der Verkäufer.
Ein unbedingt sehenswertes Youtube-Video ist „Agraprofit – Der Film“ [1]. Weil es eine bittere Realsatire auf die Schnäppchenmentalität in Sachen Lebensmittel in Deutschland ist.
Ein Stand auf dem Wochenmarkt einer Großstadt. Agraprofit [2] nennt sich das Unternehmen, das hier seine Waren anbietet. Auf dem Verkaufstisch liegen Bananen, Kaffee, Eier, Schokolade. Alles extrem günstig. Angeboten von zwei jungen, sympathischen, gut aussehenden Männern. Dazu der Slogan „Faire Preise – volle Transparenz.“
„Wir sparen halt überall, wo man kann“
Volle Transparenz bedeutet, dass die Verkäufer ihren Kunden reinen Wein einschenken, wo die Lebensmittel herkommen und warum sie so günstig sind.
Im Verkaufsgespräch hört sich das so an: „Wir sparen halt überall, wo man kann.“ Oder so: „Wenn wir sehen, dass Leute Arbeitnehmerrechte einfordern möchten, dann machen wir da gleich einen Strich durch die Rechnung.“ Oder auch so: „Ah, die Eier. Die kommen aus bester regionaler Kleingruppenhaltung.“( Verkäufer zeigt Bild von malträtierten Legehennen). „Das ist halt wie ‘ne Studenten-WG.“ Oder sie sagen es so: „Es wird ja auch oft angekreidet, dass Kindersklaverei so ein Problem sei, aber da sagen wir, da wollen wir einen Imagewechsel. Das ist dann halt wie ein Arbeitsferienlager.“
Und die Reaktion der Kunden?
Und wie reagieren die Kunden? Einige wenige sind entsetzt. Staunen ungläubig. Und andere: Die hören interessiert zu, wenn der Verkäufer erzählt, dass „Agraprofit“ viel Geld für Pestizide ausgibt, an der Schutzkleidung aber spart, weil die „Arbeiter sich doch auch den Ärmel vor das Gesicht halten können“, um dann die billigen Bananen zu kaufen. Dazu noch sechs Tafeln Schokolade und ein paar Päckchen Kaffee. Zuschnappen. Glück gehabt.
Ja, dieses Video hat es in sich. So lustig es an vielen Stellen ist (weil zynisch und grotesk), so bitter ist es zu sehen, wie die Waren am Ende trotzdem über den Tisch gehen.
Das Video entlarvt. Uns deutsche Verbraucher, uns Schnäppchenjäger. Was gehen uns schon der Umweltschutz oder diese Arbeiter irgendwo am Ende der Welt an, wenn es so schön billig ist.
Stattgefunden hat diese ungewöhnliche Aktion im Rahmen der Kampagne „Öko + Fair ernährt mehr“ [3], gefördert von verschiedenen Initiativen, die sich für einen nachhaltigen Konsum starkmachen. Ein Konsum, der in Deutschland noch sichtbar Nachholbedarf hat.
Ihr Webreporter Daniel Gerber