21.08.2013
Gott, sich selbst und dem Glauben auf der Spur
Wer wenig Zeit hat, beruflich oder privat stark eingebunden ist, und trotzdem Gott und den christlichen Glauben näher kommen möchte, für den gibt es im Internet ein immer breiteres Angebot von sogenannten Online-Exerzitien. Eine geistliche Begleiterin berichtet.
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Logo: Societas Jesu |
Und wer hat‘s erfunden? Nein nicht die Schweizer! Das waren natürlich die Jesuiten. Die klassischen „Geistlichen Übungen“ wie die Exerzitien auch heißen, gehen zurück auf den Heiligen Ignatius von Loyola, dem Gründer der Societas Jesu (SJ). Ursprünglich dienten die Übungen vor allem dazu herauszufinden, ob jemand eine Berufung für das Ordensleben hat, oder eher nicht. Doch in den letzten Jahrzehnten öffneten die „Schlauen Jungs“ wie die Jesuiten ob ihres Ordenskürzels oft genannt werden, ihren spirituellen Übungsweg mehr und mehr für Laien. In unzähligen klösterlichen Einkehrtagen oder sogenannten „Exerzitien im Alltag“ kamen inzwischen unzählige Menschen sich selbst, Gott und dem Glauben näher auf die Spur. Die stille, innere Auseinandersetzung mit bestimmten Bibelstellen kann, so berichten Teilnehmer, locker fernöstlichen Meditationsformen das Wasser reichen. Der neueste Trend sind sogenannte Online-Exerzitien [1]. Auch hier bieten einmal mehr die Jesuiten die wohl ausgereifteste Form an. Statt vorgefertigter Massenmails oder irgendwelchen Tagesmeditationen auf einer anonymen Webseite, wird hier [2] jedem Kursteilnehmer ein Begleiter zugewiesen, der den Übenden mit meist selbst verfassten geistlichen Impulsen, versorgt.
Nach langer Zeit der Glaubensferne: Erfahrungen in der Tiefe
Angeboten wird der Dienst seit 2002. Die Idee dazu hatte Ansgar Wiedemann. Eine Freundin hatte sich damals ratsuchend an den Pater gewandt, ihm erzählt, wie stark sie beruflich und familiär eingespannt sei. Sie hatte weder für die bei Exerzitien üblichen Zeit tägliche Meditation, noch für Gruppentreffen. Doch eine diffuse Sehnsucht war da. Irgendetwas zog. Also passte sich der Jesuit an den Lebensrhythmus seiner Bekannten an, schickte ihr über vier Wochen täglich einen kurzen Impuls, bat sie, sich abends zumindest kurz Notizen zu machen, und sich mindestens einmal pro Woche mit ihm per eMail auszutauschen. Das Grundmuster war geboren, und hat sich bis heute eigentlich nicht geändert. Nur die Nachfrage ist gewachsen. Mittlerweile begleiten rund 25 geistliche Begleiter [1] - Ordensleute, Priester und ausgebildete Laien - die Übenden. Eine von Ihnen ist Christine Karut [1]. Die Berlinerin absolvierte beim IMS, dem früheren „Institut der Orden für missionarische Seelsorge und Spiritualität“, das heute RUACH [3] heißt, eine Ausbildung zur Geistlichen Begleiterin.
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Christine Karut (Foto: Privat / Exerzitien Online) |
Über ihre Erfahrungen bei Online-Exerzitien berichtet Christine Karut Erstaunliches. „Eine individuellere Begleitung als bei uns, kannst Du im Prinzip nicht bekommen. Bei vielen Kursteilnehmern bleibt es, anders als man vielleicht vermuten könnte, auch nicht an der Oberfläche. Da bewegt sich etwas in der Tiefe“, sagt die Berlinerin. Die Übenden befinden sich meist im mittleren Lebensalter „und kommen eher aus gehobenen Berufen“. Der nächste Kurs, der im Septmber beginnt, ist bereits ausgebucht. Schon der bisher letzte Kurs zur Fastenzeit war proppenvoll. Erst zu den Advents-Exerzitien sind wieder Plätze frei. Eine baldige Anmeldung scheint auch hier mehr als ratsam. „Einige Anfragen mussten wir sogar ablehnen“, erzählt Karut. Alle Begleiter arbeiten ehrenamtlich, und begleiten – je nach Absprache mit dem Kursleiter, dem Jesuitenpater Heribert Graab – ein bis zwei Personen. „Bei ihm läuft alles zusammen.“
Eine diffuse Sehnsucht war da. Irgendetwas zog zum Gebet
Im Gegensatz zu herkömmlichen Exerzitien ist hier die Eintrittshürde niedriger. „Die Zielgruppe sind deutlich Anfänger, die sich entweder das erste Mal, oder vielleicht nach einer langen Zeit der Glaubensferne wieder spirituell auf den Weg machen wollen“, erzählt Karut. „Man glaubt kaum, wie viele Leute sich danach sehnen, einfach mal wieder zu beten, in die Auseinandersetzung mit Gott oder dem Glauben zu kommen“. Genau dafür sind sie gemacht: die Online-Exerzitien. Anders als bei den fixen Kursen wird von den Teilnehmern weder eine regelmäßige Meditationspraxis, noch eine abendliche Tagesrückschau erwartet. Der geistliche Impuls soll die Übenden lediglich durch den Tag begleiten. Und trotzdem „kommen da Durchbrüche oder Widerstände hoch“, erzählt Karut.
Also alles wie im richtigen Leben, könnte man meinen. Doch sollen an dieser Stelle die Unterschiede nicht verschwiegen werden. Bei stationären Exerzitien, sei es im Kloster oder mitten im Alltag, sind es oft die Begegnungen in der Gruppe, die dem Einzelnen voranbringen. Ihm neue Impulse für das geistliche leben liefern. Oft auch entfalten die Diskussion mit dem Geistlichen Begleiter oder anderen Kursteilnehmern eine ganz eigene Dynamik. Zudem sollte man auch die Wirkung einer regelmäßigen Meditationspraxis nicht unterschätzen. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Denn Online-Exerzitien sind vor allem eins. Ein Einstieg. Ein Appetithappen, aber ein durchaus köstlicher und lohnenswerter! Eine gute Übersicht über die verschiedenen katholischen webbasierten Exerzitien-Angebote bietet übrigens die Seite der Internetseelsorge [4]. Auch Links zu regionalen Angeboten und sogar zu speziellen Frauen-Exerzitien finden sich dort.
Ihr Webreporter Andreas Kaiser