23.05.2016
Zwei Welten prallen aufeinander
Im Internet hat ein spannendes Projekt begonnen. Mit dem Blog „Valerie und der Priester“, etlichen Videos und Auftritten in sämtlichen Sozialen Medien - bei Facebook, Twitter und YouTube - will die katholische Kirche der zunehmenden Entfremdung von Priestern und religionsfernen Menschen entgegentreten; und im besten Fall sogar neues Interesse an diesem einzigartigen Lebensweg wecken.
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Versuch einer Annäherung: die Journalistin Valerie Schönian und der Priester Franziskus von Boeselager (Foto: Youtube) |
Keine Frage: Menschen, die der Kirche nicht (mehr) nahestehen, haben von uns Katholiken, vor allem aber von Mönchen und Priestern oft ein schräges Bild. Dem Rest der Welt gelten unsere Geistlichen vielfach als verschroben, weltfremd, unsere gesamte Kirche als antiquiert, konservativ. Vor allem die Sache mit dem Zölibat kann und will heute kaum noch jemand nachvollziehen ... Doch was passiert, wenn sich ein kirchenferner Mensch, in diesem Fall eine junge Frau, für ein Jahr mit einem Seelsorger auseinandersetzt? Den Geistlichen begleitet, ihn immer und immer wieder trifft, Fragen stellt, auch unbequeme.
Fällt am Ende womöglich der Priester von seinem Glauben ab? Oder wird aus der jungen Frau eine überzeugte Katholikin? Genau dieses Experiment hat vor ein paar Tagen – sozusagen live und in Farbe - mit dem Blog „Valerie und der Priester [1]“ begonnen.
Eine Frage steht über allem: Warum wird jemand heute noch Priester?
Der Priester, das ist in diesem Fall ein gewisser Franziskus von Boeselager, ein 38-jähriger Kaplan aus Münster. Den Part der kirchenfernen Frau hat Valerie Schönian eine 25-jährige Journalistin aus Berlin übernommen. Bis Ende April 2017 wird sie, so der Plan, den Seelsorger immer wieder besuchen und ihre Eindrücke in einem Blog, via Facebook [2], Twitter [3] und YouTube [4] teilen. Meine Kollegin Kerstin Ostendorf hat mit der Bloggerin gesprochen und für die Zeitungen unserer Verlagsgruppe über das Projekt berichtet:
„Er hätte alles machen können. Aber er hat sich entschieden, Priester zu werden, da war er in meinem Alter. Ich will verstehen, warum“, sagt Schönian. Dafür ist sie in seine Nähe gezogen, wohnt direkt neben dem Pfarrhaus in Münster-Roxel. Seit Ende April pendelt sie zwischen dort und Berlin. Ist sie vor Ort, sehen sie sich täglich. „Ich begleite ihn zum Gebet, zu Gottesdiensten oder Chorproben. Auch bei einem Gespräch zur Tauf- und Ehevorbereitung war ich dabei“, erzählt sie. … Noch sei es skurril und unwirklich, beschreibt die junge Frau ihre neue Lebenssituation. „Es ist so, als lebe ich zwischen zwei Welten, wenn ich zwischen Münster und Berlin pendele.“
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Fremdelt doch recht deutlich mit der Kirche: die Journalistin Schönian (Bildschirmfoto: valerieundderpriester.de) |
Dem Bericht meiner Kollegin zufolge will Schönian kein Thema aussparen, keine Frage sich verkneifen. „Was machen Priester, wenn nicht Sonntag ist? Was verdienen sie? Wollen sie die Rente mit 67 oder 70? Warum wird jemand heute noch Priester? Diese Frage steht über allem.
„Kirche ist einfach kein Thema“
Schon jetzt machen die ersten Überschriften in Schönians Blog klar, wie unbefangen die junge Frau mit der Würde des Priestertums, vor allem aber den Geheimnissen unserer Liturgie umgeht. „Elfriede sei mit dir [5]“, heißt es da. Meine Kollegin Ostendorf schreibt:
Valerie Schönian ist 25 Jahre alt und arbeitet als Journalistin in Berlin. Ihre „kirchliche Laufbahn“ ist schnell erzählt: Sie ist in Magdeburg geboren, hat ein katholisches Gymnasium besucht, wurde konfirmiert und spielte mit 14 Jahren einen Hirten in einem Krippenspiel. Das war’s. Religion, Glaube und Kirche spielen für sie und die meisten ihrer Freunde in Berlin keine Rolle. „Es ist bei mir und anderen in meinem Umfeld nicht mal so, dass wir die Kirche ablehnen. Sie ist einfach kein Thema“, sagt sie.
Franziskus von Boeselager erging es anders: Seine Schulzeit verbrachte er in Ordensinternaten in Irland und Deutschland – freiwillig. Er studierte Betriebswirtschaftslehre, hatte Freundinnen, ging in Bars, genoss das pralle Studentenleben. Doch ein Gedanke ließ ihn nicht los. Mit 26 Jahren sagte er seinen Eltern: „Ich habe mich verliebt“ – und meinte Jesus. 2013 wurde er im Kölner Dom zum Priester geweiht, arbeitet nun als Kaplan in einer Pfarreiengemeinschaft in Münster.“
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Der Priester von Boeselager macht sich für die Messe fertig (Bildschirmfoto eines Videos auf "valerieundderpriester.de") |
Entstanden ist das Projekt "Valerie und der Priester [1]" in Kooperation mit der Deutschen Bischofskonferenz [6] und dem Zentrum für Berufungspastoral [7], das sich um Interessenten für den Priesterberuf bemüht. Ziel sei es aber nicht, so meldete jüngst die Katholische Nachrichtenagentur (KNA), mit dem Projekt mehr Geistliche zu gewinnen. Vielmehr gehe es um eine realistische und authentische Darstellung dieses Berufes, sagt Michael Maas, Direktor des Zentrums für Berufungspastoral. So seien Priester ja heute fast nur noch in den Schlagzeilen, „wenn etwas schiefläuft“. In dem Blog jedoch sollen sämtliche Seiten des Priesterlebens abgebildet werden. Bewusst auch wurde mit Schönian eine kirchenferne Journalistin „mit Blick von außen“ ausgewählt. „Wir haben jemanden gesucht, der sich unbefangen, aber mit Interesse auf Situationen und Menschen einlassen kann“, sagte Maas der Katholischen Nachrichtenagentur.
Franziskus von Boeselager hingegen musste sich mit dem Gedanken, fast ein Jahr im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen, erst anfreunden. „Ich bin nicht der Öffentlichkeitssucher“, gesteht der Priester. Er selbst hätte sich „nie“ gemeldet. Dem Portal „katholisch.de [8]“ sagte der Priester: „Innerlich hatte ich bereits abgesagt.“ Nach zehntägiger Bedenkzeit jedoch entschied er sich um. „Ja, ich mache das.“ Lange habe er das Für und Wider abgewogen. Einerseits sei er sich nicht sicher gewesen, ob er seinen Alltag bewältigen könne, wenn ständig eine Journalistin dabei ist. Doch am Ende überwog das Für. Vor allem seine Freude am Glauben möchte Boeselager mit anderen teilen. Er hoffe zudem, dass die Menschen ihr Bild von der Kirche und ihren Priestern relativierten, wenn sie einen authentischen Priester kennenlernen. Er sei schließlich „kein verschrobener, weltfremder, verklemmter und vereinsamter Freak, sagte Boeselager der KNA.
Ihr Webreporter Andreas Kaiser