25.12.2017
Digitale Helfer bei Depression
Rund vier Millionen Deutsche leiden an einer Depression. Viele holen sich Hilfe aus dem Internet. Doch was taugen die digitalen Helfer? Mehr als gedacht.
Keine Hoffnung, kaum Antrieb selbst für Kleinigkeiten, nur noch düstere Gedanken im Kopf. Diesen Zustand kennt Nicole Weißenfeld-Boller aus dem Effeff „Man fällt ab und zu in ein Loch, hat keine Motivation mehr, irgendetwas zu tun. Da immer wieder rauszukommen, das ist halt die Kunst. Und schwierig natürlich“, sagt sie. Ein Lichtblick in der dunklen Phasen sind die Nachrichten ihres Online-Therapieprogramms „Deprexis 24 [1]“. „Wenn die SMS kommt, dann wartet man schon drauf. Was steht diesmal drin. Was kann mir das Programm Positives für den Tag mitgeben“, erzählte die Depressionspatientin jüngst dem „ARD-Mittagsmagazin [2]“. Da Therapieplätze rar sind, machte ihr die Krankenkasse das Angebot, zur Überbrückung an einem Online-Programm teilzunehmen.
Deprexis hilft Nicole Weißenfeld-Boller den Tag zu strukturieren. Das Programm wird sowohl von der „Gesundheitskasse DAK [3]“ wie auch von der Zeitschrift „Spektrum der Wissenschaft [4]“ als recht gut bewertet. Deprexis ist allerdings, ähnlich wie viele andere Apps für schwer depressive Menschen nicht geeignet. Es hilft vor allem bei leichten bis mittelschweren Erkrankungen.
Auf dem Vormarsch: In Deutschland haben 4,1 Millionen Menschen Depressionen
Einem Bericht des Ärzteblattes [5] zufolge stieg die Zahl der Menschen mit Depressionen zuletzt weltweit rasant an. Betroffen waren demnach 2015 rund 322 Millionen Menschen. Das entspricht 4,4 Prozent der Weltbevölkerung. Allein in Deutschland sollen mehr als 4,1 Millionen an der Volkskrankheit leiden. Insofern kaum verwunderlich, dass nach Deprexis zuletzt immer mehr digitale Helfer auf dem Markt kamen. Die „Apotheken Umschau [6]“ sowie das Online-Magazin „Onmeda [7]“ haben inzwischen einige dieser Programme unter die Lupe genommen, warnen aber vor übertriebenen Erwartungen.
Ärzte kontrollieren über Apps Zustand ihrer Patienten
Positive Dienste leisten vor allem Programme, auf die auch der Arzt oder Therapeut Zugriff haben. „Das Tool hat mir geholfen, meinen Tag zu strukturieren. Und das nicht nur mit Pflichtaktivitäten sondern auch mit Freizeitaktivitäten“, sagte Yvonne Mädchen einem Reporter der „Tagesthemen [8]“. Die Leipzigerin nutzte nach einem Klinikaufenthalt das Programm „iFightDepression [9]“, um zurück ins „normale Leben“ zu finden, wie sie sagt. Mitentwickelt wurde die Software von der Stiftung Deutsche Depressionshilfe [10].
Gute Dienste leistet offenbar auch die Handy-App „Arya [11]“. Entwickelt wurde sie von der ehemals selbst an Depression erkrankten Kristina Wilms. Dem das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ gab die Gründerin jüngst ein ausführliches Interview [12].
Doch es gibt auch Kritik an den Apps. Jan Kalbitzer vom „Zentrum für Internet und seelische Gesundheit“ an der Berliner Charité hält sie zwar prinzipiell für hilfreich, warnt aber zugleich davor, „zu sehr auf Technik zu setzen“. Man sollte eher andere menschliche Ressourcen nutzen, um seine Krankheit in den Griff zu bekommen, sagte er der ARD. Neben professioneller Hilfe seien auch soziale Kontakte, das Pflegen von Freundschaften, Kultur und Sport hilfreich. Gleichwohl häufen sich derzeit im Internet die Berichten von Menschen, denen die Apps zumindest ein Stückweit geholfen aus der Krise haben.
Ihr Webreporter Andreas Kaiser